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Die Motivationspsychologie beschäftigt sich mit Fragen zu Aktivitäten, die das verfolgen eines angestrebten Ziels erkennen lassen und unter diesem Gesichtspunkt eine Einheit bilden. Das Anliegen der Motivationsforschung ist die Klärung des Wozu solcher Aktivitätseinheiten.

Alltagserfahrungen und drei Problemgebiete

Motivationsfragen wollen herausfinden zu welchem Zweck jemand eine Handlung ausführt.

Es gibt drei Anlässe in denen sich uns die Frage nach dem Wozu geradezu aufdrängt.

Wenn sich jemand in einer bestimmten Situation anders verhält als es üblich ist und angebracht erscheint.

Es handelt sich hierbei um personengebundene Eigenarten im Sinne abweichender Wertungsdispositionen. Solche Wertungsdispositionen werden in der modernen Motivationspsychologie als Motive bezeichnet. Jedes Motiv unterscheidet sich hinsichtlich einer ihm eigenen Inhaltsklasse von Handlungszielen. (z.B. Leistung, Macht, Aggression)


Die Motivationspsychologie knüpft an diesen Motivbegriff eine Reihe weitere Fragen :

Wieviele verschieden Motive gibt es ?
Wie lassen sich Motive diagnostizieren ?
Sind Motive universal, oder unterliegen sie historischen oder kulturellen Unterschieden ?
Inwieweit sind Motive genetisch angelegt, inwieweit erlernt ?
Auf welche Weise entstehen individuelle Unterschiede, inwieweit lassen sich diese modifizieren ?

Die zweite Art des Anlasses bezieht sich auf den Druck der Situation die den Handelnden zu lenken scheint.

Situationen bieten sich nicht selten als Gelegenheiten an, die die Erfüllung langgehegter Wünsche oder der Beseitigung von Befürchtungen, also die Realisierung von Zielen verheißen. Alles was Situationen in diesem Sinne als positives oder negatives dem Individuum verheißen oder andeuten, wird als Anreiz bezeichnet, der einen Aufforderungscharakter zu einem bestimmten Handeln hat.

Dieser Anreiz wird durch zwei Größen bestimmt :
- der Wert dessen , was man realisieren möchte,
- die Erwartung (erlebte Wahrscheinlichkeit), mit der man dies zuwege bringen wird.

In der Motivationsforschung hat man Wert-Erwartungsmodellen , wie dem sogenannten Risiko-Wahl-Modell von ATTKINSON (1957), einen Geltungsbereich zugestanden, der weit über bloße Entscheidungen hinausgeht.

Genaugenommen geht es hierbei um eine Wechselwirkung zwischen Determinaten, die teils auf der Seite der Situation und teils auf der Seite der Person lokalisiert werden.

Unter Motivation wird in der moderenen Motivationspsychologie ein solches Person-Situations-Interaktionsprodukt ( z.B. MAGNUSSON und ENDLER, 1977) verstanden.

Die dritte Art von Anlässen zu Motivationsfragen bezieht sich weniger darauf, wieso es - inhaltlich gesehen - zu einer Handlung, als vielmehr , wie es dazu kommt.

Manche Personen können sich sehr gut selbst organisieren, während anderestets unentschlossen schwanken. Die wir in der Regel individuellen Unterschieden des "Willens", der "Willenskraft zugeschrieben. Wenn es in einem ersten Motivationsstadium, in dem Wünsche auf ihre Wünschenswertheit und Realisierbarkeit hin elaboriert worden sind, genügend Grund gibt, durch eine Handlung die Realisierung des Erwünschten zu realisieren kommt es zu einer Intetion, einem Willensakt.

 

Neben einer intentionalen Handlung, gibt es auch eine Menge an gewohnheitsmäßigen Handlungen, die mehr oder weniger zur Handlung führen.
Als dritter Motivationsimpuls können hohe Erregung die Handlung auslösen. In diesem Fall sprechen wir von einer Impuls- oder Affekthandlung.


 

Drei Fragen der Alltagserfahrung von Motivation

I individuelle Unterschiede von Wertungsdispositionen : Motive
I Determinanten einer Motivationstendenz : Motivation, Person-Situations-Interaktionsprodukte
I Bildung einer Intention als postintentionale Phasen vor der Handlung : Volition

Arten naiver Verhaltenserklärung

Die Ursache eine Verhaltens wird zumeist in der Person, in der Situation oder in einer Wechselwirkung von Person und Situation vermutet.

Wie man ein Verhalten erklärt, wir nach Kelley (1967) dadurch bestimmt, welche Vergleichsdimension zugrunde gelegt wird. siehe multidimensionales Attributionsmodell von Kelley (Forgas Zusammenfassung S.27-28)

Eine Erklärung für nicht erfolgtes Handeln

Die Ursachen für ein nicht erfolgtes Handeln, liegen in der Regel am Mangel an Realisierungsmöglichkeiten wegen eingeschränkter situativer Gegebenheiten.

BARKER hat 1960 den Begriff des Handlungsfeldes - behavior setting - als Beschreibung der ökologischen Gegebenheiten, die die Realisierung einer Handlung ermöglichen, geprägt. (Beispiele für Handlungsfeldern sind unter anderen Spielplatz, Uni, Kneipe)
Was in diesem Sinne als Handlungsfeldern vorliegt, was es an Gelegenheiten und Chancen gibt und was es nicht gibt, wird als soziokulturelle Realisierungsmöglichkeit bezeichnet.

So kann es innerhalb ein und derselben Bevölkerung unterschiedliche soziokulturelle Realisierungsmöglichkeiten geben, die institutionalisiert und damit stabilisiert sein können. Eine solche soziokulturelle Realisierungsmöglichkeit kann zu Handlungsunterschieden zwischen verschiedenen Personengruppen führen.

* Man denke hier zum Beispiel an die unterschiedlichen soziokulturellen Realisierungsmöglichkeiten von Karrierechancen, zwischen Frauen und Männern in einem großen Unternehmen. *

Berücksichtigt man diese soziokulturellen Realisierungsmöglichkeiten nicht, läuft man Gefahr beobachtete Handlungsunterschiede voreilig auf Dispositionen im Sinne angeborener Wesenszüge zurückzuführen.

Das Konsistenzparadox

Der intiutive Beobachter menschlichen Verhaltens ist davon überzeugt, daß er selbst und auch andere Personen sich in hohem Maße konsistent verhalten. Sobald man diese Annahme jedoch empirisch bestätigen möchte, findet man nur eine enttäuschend geringe Konsistenz des Verhaltens. BEM und ALLEN (1974) haben für diesen Sachverhalt den Begriff des Konsitenzparadox geprägt.
Hartshorne und May (1928,1929) haben Hunderte von Kindern in Situationen gebracht, in denen man mogeln,täuschen oder stehlen konnte. Sie konnten in einer Klassenarbeit z.B. abschreiben oder heimlich länger weiterarbeiten.
Die Konsistenzkorrelationen waren gering - zwischen .20 und .40 .

Als Erklärung kann angeführt werden, daß für die Verhaltensentscheidung und damit für die Konsistenz des Verhaltens, die Perspektive des Handelnden und nicht die des Beobachters entscheiden muß.

Um diesen nomothetischen Fallstrick (BEM und ALLEN, 1974) zu vermeiden, muß man zunächst die für jedes Individuum maßgebenden Klassen der ihm gleich erscheinenden Situationen und der zugeordneten Handlungen feststellen, ehe man die Konsitenz beurteilt.
* Auf unser Beispiel bezogen heißt das : Für ein Kind ist es eventuell nicht das selbe ob es in Mathe oder in Englisch abschreibt. *
Hartshorne und May haben darüber hinaus festgestellt, daß die Konsistenz auch vom weiteren Kontext abhängt, in die die Möglichkeit zur Täuschung eingebetet ist.


 

Personenspezifisches Verhalten

Damit das Verhalten einer Person auffällt, muß es sich vom Verhalten der anderen Personen in der gleichen Situation abheben.
In KELLEYs multidimensionalen Attributionsmodell ist dies mit der Dimenension des Konsens gemeint. Je geringer der Konsens um so eher wird das Verhalten einer Person attributiert.

Die zweite Dimension ist die Konsistenz - zeitliche Stabilität derselben Handlungsweise -.
Als dritte Dimension sieht KELLEY die Distinktheit- Anpassung des Verhaltens an die Situation. Diese Dimension ist für das Konsistenzparadox verantwortlich. Denn je sensibler eine Person auf eine - einem äußeren Beobachter gleich erscheinende - Situation reagiert, umso inkonsitenter wird das Verhalten erscheinen.
Das Konsistenzparadox löst sich also in dem Moment auf, in dem wir für die beobachtet Person Konsitenz nur innerhalb persönlicher Äquivalenzklassen erwarten.
* Kind mag gerne : Gericht A : Spinat, Kartoffeln, Würstchen.
mag gerne : Gericht B : Spinat, Nudeln und Soße
mag nicht : Gericht C : Spinat, Nudeln und Schnitzel.
Ein außenstehender Beobachter könnte auf ein inkonsistentes Verhalten bezüglich des Spinats schließen. Die entscheidende Variable ist aber das Schnitzel (Kind mag kein Schnitzel). Bezüglich der dem Kind eigenen Äquivalenzklasse ist das Verhalten also durchaus konsistent. *

I Als Forderung zur Beurteilung von Konsistenz/Inkonsistenz von Verhalten stellt sich somit : Zunächst müssen für jede Person die situativen und handlungsmäßigen Äquivalenzklassen mit äquifinalen Handlungsfolgen abgesteckt werden, innerhalb derer dann konsistentes vs. inkonsitentes Verhalten beurteilt werden darf.

Motiv als Erklärungsbegriff Verhalten

Motive werden als überdauernde Dispositionen aufgefaßt. Jedes Motiv umfaßt eine definierte Inhaltsklasse von Handlungszielen. Die Wertungsdispositionen sind "höherer" Art, d.h. für die Erhaltung des Organismus nicht entscheidend,(*also physiologische Bedürfnisse wie Hunger, Schlaf, Sex zählen nicht zu der Klasse der Motive im Sinn der Motivationspsychologie*) sie sind nicht genetisch angelegt und unterliegen einer Sozialisation im Laufe der Ontogenese.

Motive sind auf einem möglichst hohem Abstraktionsniveau als eine Inhaltsklasse von Handlungszielen, die jedoch zugleich unverwechselbare Eigenarten besitzt, definiert. Die Motive unterliegen verschiedener Arten von Wandel, historischer, lebensalterbezogener und auch lebensbereichabhängiger Art.

Das Motiv einer gegebenen Person umfaßt immer nur einen Ausschnitt aus der Inhaltsklasse der möglichen Handlungsziele.. Innerhalb dieses Ausschnitts zeigt das Verhalten eine gewisse Konsistenz.
Das Motiv bleibt immer ein hypothetisches Konstrukt, das sich nur durch seinen Erklärungswert bei der Interpretation von Befunden rechtfertigen kann.


 

Motivation

Motivation ist in der Psychologie ein Sammelbegriff für vielerlei Prozesse und Effekte, deren gemeinsamer Kern darin besteht, daß ein Lebewesen sein Verhalten wegen der erwarteten Folgen auswählt und steuert.
Elaborierte Anreizwerte und Erwartungen sind die Basisdaten für Wert-Erwartungsmodelle, die den Ausgang von Motivations- oder Entscheidungsprozessen vorhersagen lassen sollen (FEATHER, 1982 ; KUHL, 1982).
Die Entscheidung für eine bestimmte Handlungsmöglichkeit, wird durch die stärkste rsultierende Motivationstendenz unter den alternativen Handlungsmöglichkeiten bestimmt.

Die Dynamic Theory of Action von ATKINSON und BIRCH (1970) beschreibt die Wechselwirkung von von gleichzeitig vorhandener Motivationstendenzen : Eine Motivationstendenz die das momentane Handeln bestimmt schwächt sich während der Handlung ab. - konsummatorische Kraft.

Alle anderen, noch auf eine Ausführung wartenden Motivationstendenzen, wachsen je nach stärke der situativen Anregung an. - instigierende Kraft.
Natürlich muß es eigene Prozesse geben, die entscheiden welche der alternativen Motivationstendenzen gerade realisiert werden soll. Diese Prozesse werden Volitionen genannt.

Intentionsbildung und Volition

Eine resultierende Handlungstendenz genügt noch nicht, um das entsprechende Handlungsziel in dem Sinne verbindlich zu machen, daß man es auch erreichen möchte.. Die resultierend Tendenz muß den Charakter einer Handlungsabsicht gewinnen - es muß sich noch eine Intention bilden.
Der diesen Übergang regenlde Prozeß muß zwei verschiedene Probleme lösen. Einmal welche Motivationstendenz überhaupt den Status einer Intention erreicht. Zum anderen, welche von den gerade gebildeten Intentionen schließlich realisiert wird. Man kann deshalb zwei hintereinanderliegende Übergänge zwischen Motivation und Handeln annehmen : die Intentionsbildung und die Handlungsinitiierung.

Der Übergang zur Intentionsbildung erfolgt nach einer Elaboration der wichtigsten Aspekte von Wünschbarkeit und Realisierbarkeit.
Am zweiten Übergang, zur Handlungsinitiierung muß eine der veschiedenen Intentionen Zugang zum Handeln finden. In der Regel läßt sich zur gleichen Zeit immer nur eine Intention realisieren. Häufig kommt die Intention zum Zuge, deren Realisierung durch die momentanen Begebenheiten begünstigt wird.

Die zu realisiernede Intention muß während der Ausführung gegen andere konkurierende Intentionen abgeschirmt werden. Auf diese Abschirmungsfunktion hat KUHL (1983) mit Nachdruck hingewiesen. Er spricht von voluntionalen Prozessender Handlungskontrolle. Diese teilt er in zwei Abschnitte ein, deren erster in der Absichtskontrolle (postintentional und präaktional) und der zweite in einer Handlungskontolle im engeren Sinne besteht, d.h. in der Steuerung des Handlungsablaufs.


 

Handeln

Schon 1921 setzte Max Weber der behavioristischen Betrachtungsweise, Verhalten (behavior) auf Reagieren und das Ausführen gelernter Gewohnheiten einzuengen, den Begriff der Handlung entgegen.
Handeln ist nach Weber alles menschliche Verhalten, mit dem der Handelnde einen Sinn verbindet. Zu einer Handlung kann man alle Aktivitäten zusammenfassen, denen eine gemeinsame Zielvorstellung zugrunde liegt.

Nachhandlungsphase

Mit dem Erreichen des intendierten Ziels ist zwar das Handlen nicht jedoch die Handlung abgeschlossen. Mit dem Abschluß des Handelns ändert sich der "Aggregatzustand" der motivationspsyvjologischen Prozesse. Statt realisierungsorientierter Volitionen werde wieder realitätsorientierte Motivationsprozesse, die sich auf Wert- und Erwartungaspekte beziehen, maßgebend.

Nun können die Erwartungen, Handlungspläne, vermuteten Ergebnisse und deren Folgen mit dem tatsächlichen Verlauf und seinen Folgen - also der Volitionsphase - verglichen werden. Diese kritisvje Rückschau ist eine wichtige Quelle der Erfahrungsbildung. Wichtig ist hierbei die Beurteilung, ob und inwieweit das intendierte Ziel erreicht und damit die Intention erledigt ist - und aufgelöst werden kann -.

Eine nicht realisierte Intention kann auf einer Unterbrechung oder völligen oder teilweisem Mißlingen der des Handels beruhen. In der Nachhandlungsphase werden dann die geeigneten Schritte zur Fortführung bedacht, bzw. die aufgetretenen Probleme analysiert.
In diesem "flüssigen Aggregatzustand" der postaktionalen Phase kann es dann leicht zu Umentscheidungen kommen, gegen welche die Präaktionale Phase und aktionale Phase abgeschirmt war.

Ein weiterer entscheidender Teil des postaktionalen Motivationsprozesses sind des weiteren die ergebnisbewertenden Emotionen die das Motivsystem dann widerum beeinflussen können.

 


Quelle: "Motivation und Handeln" von Prof. Heinz Heckhausen.