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Die eigenschaftstheoretische Sichtweise bemüht vorwiegend Motivdispositionen zur Verhaltenserklärung. Die Grundvariablen seien es Instinkte, Neigungen, Bedürfnisse, Triebe oder Motivemüssen zugleich erklären was das Handeln antreibt und steuert. Situative Determinanten haben nur wachrufende Funktion.

Dies muß eine Fragestellung nahelegen, die weniger auf individuelle Unterschiede als auf Situationsspezifität des Handelns als Erklärungsansatz benutzt.

Wie kommt eine Verhaltenssequenz überhaupt in Gang, steuert auf ein Ziel, paßt sich den jeweiligen Situationserfordernissen an und kommt schließlich zum Abschluß?

Diese Fragestellungen zielen auf die Ursachen konkreter Verhaltensabläufe, auf funktionalistische Aspekte, die mit angeborener Instinkausstattung nicht erklärt werden können.

Es wird nicht global nach Motiv, sondern nach Motivationsvorgänge im einzelnen gefragt.

In diesem Kapitel werden die wichtigsten Theorieentwicklungen einer entschlossenen Abkehr von Dispositionsbegriffen und einer Hinwendung zu einer situationszentrierten Verhaltenserklärung behandelt. Verhalten als intraindividuelle Änderung über Zeit, insbesondere Phänomene des Lernens, rücken in den Mittelpunkt des Erklärungsinteresses.

Reiz-Reaktions-Verbindungen (S.84-85)

Situativ determiniertes Verhalten ist von Informationen über die laufende Situation abhängig. Im einfachsten Fall besteht das Verhalten aus reflexartigen Reiz-Reaktions-Verbindungen; Reaktionen werden durch Reize ausgelöst und stehen unter deren Kontrolle. Bei den situativen Determinanten ist zwischen inneren und äußeren zu unterscheiden:

  • Äußere situative Determinaten sind Reize, die ihre Quelle außerhalb des Organismus haben und aus der Umgebung auf die Sinnesperipherie treffen.
  • Innere situative Determinaten entstammen dem Organismus selbst. Es sind Reize oder vorübergehende Zustandänderungen des Organismus.

Weder Pawlow noch Thorndike haben damals schon die Einführung eines Motivationsbegriffes zur Erklärung der Verhaltensänderung für notwendig gehalten. Das ist umso beachtenswerter, als beide in ihren futterbezogenen Lernexperimenten darauf achteten, daß die Versuchstiere hungrig waren.

Erst später, etwa in Hulls Triebreduktionstheorie, erhielten zugrundeliegende Motivationszustände als innere situative Determinanten Beachtung bei der Erklärung von S-R-Verbindungen.

Bedürfnis und Trieb (S.85-88)

Woodworth hat 1918 in der Instinktkontroverse eine mittlere Position eingenommen.

Einerseits bestritt er gegenüber McDugall die Allgemeingültigkeit der Instinkte als Grundlage der motivationalen Komponente.

Andererseits bestritt er auch gegenüber den Assoziationisten den Erklärungswert reiner S-R-Verbindungen.

Er fügte als weiter Determinante zwischen Reiz und Reaktion Zustände im Organismus ein :

  • S-O-R.

Inzischen hatte man damit begonnen, unter Reizen nicht mehr nur äußere Einwirkungen auf den Organismus zu verstehen, sondern auch an innere Reize zu denken, die im internen Milieu des Organismus entstehen und dort ihre Wirkungen haben.

Auf physiologischer Seite setzte eine Suche nach registrierbaren inneren Reizen ein, die zu bestimmten Verhaltensweisen antreiben.

Cannon et. al. entwickelten z.B. eine Lokaltheorie der Motivation für Hunger und Durst.

Mit einem verschluckten aufblasbaren Ballon konneten Magenkontraktionen gemessen werden. Diese Kontraktionen korrelierten hoch mit dem subjektiven Hungergefühl.

Die Regulation der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme hat sich jedoch also ungemein komplex erwiesen. Bis heute sind die zugrundeliegenden Mechanismen nicht endgültig geklärt. Neben peripheren Bereichen im Organismus (wie Aufnahemetrakt,Magen,Darm,Leber,Blut) sind auch Hirnzentren als zentrale integrierende Mechanismen beteiligt. (Balagura, 1973 : Toates, 1981)

Eine andere Forschungsrichtung nahm die allgemeine Aktivität von Versuchstieren als Index für periodische Antriebsschwankungen, die mit zyklischen Bedürfnisschwankungen zur Aufrechterhaltung organismischer Gleichgewichtszustände (Homeostase) einhergehen.

Lange Zeit glaubte man, daß physiologische Indikatoren von Bedürfniszuständen unmittelbar die Annahme eines entsprechenden Triebes erlaubten und daß dieser vor seiner Befriedigung in einer erhöhten allgemeinen Aktivität zum Ausdruck kommt.

Es zeigte sich jedoch bald, daß Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Triebes anhand vorausgehender oder nachfolgender Aktivitätserhöhung zu einfach ist.

Ob z.B. die allgemeine Aktivität ausgehungerter Ratten überdurchschnittlich oder aber unterdurchschnittlich ist, hängt weit stärker von äußeren Reizbedingungen ab, als man zunächst annahm.

Einversuch von Campbell und Sheffield (1953) verdeutlicht dies.

Ratten wurden sieben Tage in einem Aktivitätskäfig gehalten. Der Käfig war so gelagert, daß jede Erschütterung die durch eine Aktivität des Tieres verursacht wurde, automatisch registriert wurde.

Der Versuchraum war dunkel und Geräuschisoliert. In den ersten 4 Tagen war ausreichend Futter vorhanden, in den letzten 3 Tagen jedoch kein Futter. Einmal am Tag betrat ein VL für 10 min den Raum schaltet Licht an und Ventilator aus. Die Aktivität wurde während dieser 10 min und 10 min vor Betreten gemessen.

Ohne Reizänderung bleibt die durchschnittliche Aktivität auf einem Niveau auch wenn der Hunger wächst. In der Reizänderungsperiode ist die Aktivität ständig erhöht und steigt mit zunehmenden Hunger an.

Diese Befunde sprechen gegen die Annahme, daß mit wachsendem Bedürfniszustand automatisch die Aktiibität steigt. Was ansteigt ist offensichtlich die Bereitschaft, auf äußere Reize zu reagieren.