Die Rolle von Erwartungen in der Personenwahrnehmung
(Seite 36)
Bei der Beurteilung von Menschen greifen wir alle auf unser ureigenstes Wissensreservoir zurück, d.h. wir verlassen uns einzig auf Erfahrungen und Vorstellungen, die wir im Laufe der Zeit über Organisation von Persönlichkeitsmerkmalen gesammelt haben. In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, warum persönliches Wissen und individuelle Erfahrungen unsere Wahrnehmung anderer beeinflussen.
Implizite Persönlichkeitstheorien
(Seite 36-37)
Andere Wahrnehmen ist ein aktiver Prozeß bei dem Wissen und Erfahrungen des Wahrnehmenden eine große Rolle spielen. Unser angesammeltes Wissen nimmt schließlich Gestalt einer impliziten Perönlichkeitstheorie an, definiert als Summe aller akkumulierten Erfahrungen und Hypothesen darüber, wie Attribute und Persönlichkeitszüge bei anderen Menschen organisiert sind. Ob diese Theorie jedoch im Einzelfall zutreffend ist, kann auf der Basis der früheren Erfahrungen des Beobachters nicht entschieden werden.
Persönliche Konstrukte und der Gridtest
(Seite 37-39)
George Kelly, einer der ersten Psychologen, die implizite Persönlichkeitstheorien untersucht haben :" Der Mensch betrachtet seine Welt durch transparente Muster oder Schablonen, die er sich schafft und die er dann auf die Realitäten der Welt zu übertragen versucht. "
Wir systematisieren also unsere Erfahrungen, indem wir uns kognitive Konstrukte schaffen, durch die wir die Welt wahrnehmen. Um solche Konstruktsysteme zu ermitteln und zu messen, entwickelte Kelly eine empirische Technik, den Gridtest.
Dazu fragt man die Versuchsperson in welcher Hinsicht sich zwei bekannte Personen ähneln und sich gleichzeitig von einer dritten unterscheiden.
Die Gridtechnik
In jeder Zeile sind drei Felder. In welcher Hinsicht ähneln sich zwei davon und unterscheiden sich gleichzeitig von einer dritten. Tragen Sie Ihr gewähltes Konstrukt ein und raten Sie die betreffenden Personen auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 7 (genau).
Forschung zur impliziten Perönlichkeitstheorie
(Seite 40-43)
Wenn wir Urteile über Personen zu fällen haben, stehen wir fast immer vor dem Problem, uns auf der Basis recht skizzenhafter Informationen ein vollständiges Bild machen zu müssen. Dadurch sagen unsere Urteile meist mehr über uns und unser Menschenbild als über die beurteilte Person. Eine Untersuchung der Verknüpfungen von bekannten Persönlichkeitsmerkmalen mit unbekannt Persönlichkeitsmerkmalen ermöglicht eine Widerspiegelung unserer ganz individuellen impliziten Persönlichkeitstheorien.
Rosenberg und Sedlak (1972) haben mit einer ähnlichen Methode untersucht wie einzelne Menschen andere sehen. Für solche Analysen beschreiben die Probanten eine ihnen bekannte Person. Dann wird untersucht, wie häufig welche Adjektive miteinander assoziert werden und erhält so ein Bild der jeweiligen individuellen Persönlichkeitstheorie
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Qualität von Wahrnehmungsurteilen weit mehr vom Betrachter selbst, als von der betrachteten Person abhängt, denn wenn wir andere wahrnehmen, tun wir das immer mit bestimmten persönlichen Erwartungen.
kulturell bedingte Persönlichkeitstheorien
(Seite 43-44)
In kleineren oder größerem Maße teilen Menschen neben ihrer jeweiligen Kultur auch ihre impliziten Persönlichkeitstheorien. Untersuchungen von Norman (1963 und 1966) lassen vermuten, daß Merkmale wie Extraversion, Freundlichkeit, Gewissenhaftigkeit und emotionaler Stabilität in unseren Theorien über Menschen eine universale Rolle spielen.
Es bestehen neben den intrakulturellen Gemeinsamkeiten aber beträchtliche interkulturelle Unterschiede. So ist z.B. bei den Chinesen die Gewissenhaftigkeit das wichtigste Merkmal währen in Australien die Extraversion die größte Rolle spielt.