8 Sprach-Produktions-Lexikon (SPL)
Funktionsweise
• Stellt die gesprochene Form eines Wortes zur Aussprache bereit
• Bei der Sprachproduktion kommt die Aktivierung (Input) aus dem Semantischen System
• Beim Lesen kommt die Aktivierung aus dem Semantischen System und aus einer
direkten Verbindung mit dem VIL
• Stärke der Aktivierung im SPL ist eine Funktion der Worthäufigkeit
(Neuropsychologische und experimentelle Evidenz)
Beeinträchtigungen
• Bei Wörtern, deren Bedeutung dem Patienten bekannt ist, können bei Patienten mit "anomischen Aphasien" Beeinträchtigungen beobachtet werden, die durch Worthäufigkeitseffekte erklärbar sind
• Solche Patienten finden Wörter nur dann reliabel, wenn sie hoch-frequent sind
• Bei niedrig-frequenten Wörtern haben sie nur partiellen Zugriff auf die gesprochene Wortform, wobei Approximationen zu Wörtern generiert werden (vergleichbar mit dem "tip-of-the-tongue" Phänomen bei Normalen)
• Neologistische Approximationen treten häufig bei Patienten mit "neologistischer Jargonaphasie" auf (ebenfalls mit einem Worthäufigkeitseffekt)
• Zielwortbezogenen Neologismen zeigen, dass der Abrufprozess nicht in einer alles-odernichts Weise erfolgt
9 Phonem-Ebene
Funktionsweise
• Repräsentiert einzelne, unterschiedliche Sprachklänge
• Die Repräsentationen könnte positional kodiert sein
• Die Phonem-Ebene bekommt Input aus 3 verschiedenen Modulen
1) dem AAS (zur auditiv-vokalen Wiederholung bekannter und unbekannter Wörter oder Non-Wörter)
2) dem SPL (Spontansprache, lautes Lesen, Objektbenennung)
3) der Graphem-Phonem-Konversion (lautes Lesen von unbekannten Wörtern oder Non-Wörtern)
• Die Phonem-Ebene kontrolliert auch "sub-lexikalisches" oder "zusammengesetztes" Buchstabieren von Wörtern, die nicht im "Graphemischen Output-Lexikon" repräsentiert sind
Beeinträchtigungen
• Slips of the tongue bei normalen Sprechern in der Form von Substitutionen oder Vertauschungen
• Ein wichtiges Kennzeichen ist das Auftreten von Phonem-Vertauschungen mit phonetisch ähnlichen Phonemen (z.B. b mit p, g mit k)
10 Bidirektionale Verbindung zwischen dem SPL und der Phonem-Ebene
Funktionsweise
• das SPL und die Phonem-Ebene stehen in einem Zustand gegenseitiger Aktivierung interaktive Aktivierung)
• Aktivierung eines Eintrages im SPL aktiviert Phoneme auf der Phonem-Ebene, diese Aktivierung wird ans SPL zurückgekoppelt und wirkt als positives Feedback
• Die normale Funktion der interaktiven Aktivation liegt in der schnellen Selektion von Einträgen im SPL und der Phoneme auf der Phonem-Ebene
Beeinträchtigungen
Dieses schnelle, rückgekoppelte System kann zu Fehlern führen: Ein dem Zielwort ähnliches Wort wird anstelle des Zielwortes ausgesprochen
• recht häufig als slip of the tongue bei Normalen
• allerdings auch bei aphasischen Patienten
• Fehler beim Buchstabieren (orthographische Fehler) nach Aufruf eines ähnlichen Wortes anstelle des Zielwortes
• (Voraussetzung: direkte Verbindung zwischen Einträgen im SPL und dem graphemischen Output-Lexikon)
11 Direkter Weg vom AAS zur Phonem-Ebene
Funktionsweise
• Lautes Nachsprechen von unbekannten Wörtern bzw. Non-Wörtern, die keine Einträge im AIL und im SPL haben
• Bei Kindern von besonderer Bedeutung im Sprach- und Wissenserwerb
• Unbekannte Wörter können wiederholt werden, ohne dass sie verstanden oder erkannt werden
• Die Verbindung zwischen dem AAS und der Phonem-Ebene ist bidirektional
• Aktivierung auf der Phonem-Ebene kann rückgekoppelt werden zum AAS
• Diese Rückkoppelung könnte für "innere Sprache" verantwortlich sein
• (Generierung eines akustischen Bildes aus einer Repräsentation auf der Phonem-Ebene)
• Bedeutung weiterhin beim (stillen) Verstehen nach Graphem-Phonem-Konversion
• (Lesen eines unbekannten Wortes, das als gehörtes Wort identifiziert wird, da es vorher bereits gehört wurde)
Beeinträchtigungen
• Die direkte Verbindung ist bei aphasischen Patienten mit "auditorisch-phonologischen Dysphasien" beeinträchtigt, deren Leistung beim Nachsprechen von Non-Wörtern sehr viel schlechter ist als bei Wörtern
12 Externale Verbindung zwischen dem AAS und der Phonem-Ebene
Funktionsweise
• Auswertung der eigenen gesprochenen Sprache in der Form eines externalen Feedbacks
• Als Alternative zur internalen Verbindung zwischen der Phonem-Ebene und dem AAS
Beeinträchtigungen
• Unfähigkeit zur Auswertung (Überwachung) der eigenen Sprache sowie dem Erkennen von Fehlern tritt bei einer Reihe von aphasischen Bedingungen auf
• Besonders stark ausgeprägt bei "neologistischer Jargonaphasie"
13 Direkte Verbindung zwischen dem AIL und SPL
Funktionsweise
• Die Existenz der Verbindung ist umstritten; sie ist allerdings in einer Reihe von Modellen zu finden
• Die Verbindung vervollständigt einen Ganz-Wort-Pfad vom auditorischen Input zu schriftlichem Output unter Umgehung des Semantischen System
• Verbindung: AAS AIL SPL GOL Schreiben oder mündliches Buchstabieren
• Pfad ist notwendig zur Erklärung der Beobachtung, dass Patienten mit "Wortbedeutungstaubheit" irreguläre Wörter korrekt buchstabieren können, die ihnen diktiert wurden und die sie nicht verstehen.
14 Direkte Verbindung zwischen dem VIL und SPL
Funktionsweise
• Beobachtung, dass Patienten irreguläre Wörter korrekt laut lesen können, ohne die Bedeutung der Wörter zu verstehen
• Dieser Befund wurde als Hinweis auf einen Ganz-Wort-Pfad vom VIL zum SPL angesehen, der das Semantische System umgeht
• Die Existenz dieser Verbindung wird auch durch experimentelle Befunde bei normalen Probanden unterstützt: Lautes Lesen von bekannten, irregulären Wörtern ist schneller als jede Form semantischer Kategorisierung dieser Wörter
• Der Befund stimmt überein mit der Annahme, dass das Finden der gesprochenen Form eines Wortes nach dessen Erkennen durch das VIL simultan und parallel mit dem Finden der Wortbedeutung im Semantischen Lexikon erfolgen kann
15 Graphem-Phonem-Konversion
Funktionsweise
• Lautes Lesen von unbekannten Wörtern und vorher nicht gesehenen Non-Wörtern
• Erfordert einen Pfad von der Buchstabenerkennung zur Sprachproduktion, der nicht darauf angewiesen ist, dass Wörter vom VIL als bekannt wahrgenommen werden
Daraus: Postulat einer direkten sublexikalischen Verbindung zum lauten Lesen unbekannter Wörter
• Prozess, der Wörter in Buchstaben oder Buchstabengruppen zerlegt und
• diese visuellen Einheiten anschließend in korrespondierende Phonem-Ketten übersetzt
• Von spezieller Bedeutung bei Kindern oder ungeübten Lesern (da bei diesen weniger Wörter als Ganze im VIL repräsentiert sind)
Beeinträchtigungen
• "Phonologischen Dyslexien": Leistung beim Lesen realer Wörter ist viel besser als bei unbekannten Wörter bzw. Non-Wörtern
• starke Beeinträchtigung auch bei "tiefen Dyslexien"