In diesem Kapitel werden Theorien beschrieben die sich mit situativen Determinanten beschäftigen. Diesen Theorien ist gemeinsam, daß sie auf die eine oder andere Weise dem Lebewesen zuerkennen, daß sein Verhalten von vorweggenommenen Zielzuständen des Verhaltens geleitet wird.
Motivation ist das Anstreben von Zielzuständen, von Bekräftigungen (behavioristische Ausdrucksweise).
Es gibt demenstsprechend eine bestimmte Erwartung. Erwartungen sind der Fremdbeobachtung jedoch nicht direkt zugänglich. Sie müssen erschlossen werden und sind deswegen hypothetische Konstrukte.
Eine Voraussetzung besteht darin, daß der Zielzustand Wertcharakter für das Lebewesen haben muß, um als Bekräftiger zu funktionieren.
Bestimmte Objekte oder Ereignisse, die den Zielzustand ausmachen, haben eine negative (Zielzustand vereitelnd) oder positive (Zielzustand begünstigend) Bedeutung. Diese Objekte oder Ereignisse=S* haben einen positiven oder negativen Anreiz.
Der Anreiz von Objekten oder Ereignissen kann erlernt oder angeboren sein.
Für den Wertcharakter des Anreiz werden auch andere Bezeichnungen verwendet. Lewin spricht von Valenz oder Aufforderungscharakter, Tolman von Zielverlangen (demand for goal).
Verhalten ist proaktiv, indem es sich von den anreizartigen Verheißungen und Bedrohungen künftiger Zielzustände anziehen oder abstoßen läßt.
* Demgegenüber ist das Verhalten wie es in Hulls Triebtheorie beschrieben wird reaktiv. Die Verhaltenssteuerung ist durch vorliegende Reiz-Reaktions-Verbindungen (habits) bereits fixiert.*
Lewins Feldtheorie (S.135-136)
Lewin hat mit seiner Feltheorie eine neue verhaltenserklärende Sichtweise entwickelt. Mit ihrer Hilfe sollen Handlungsabläufe möglichst konkret auf Bedingungskonstellationen des je gegenwärtigen Feldes zurückgeführt und erklärt werden.
Der Begriff des Feldes umfaßt Bedingungsfaktoren sowohl der äußeren Situation (Umgebung) wie der inneren Situation (Person).
Die Feldtheorie versucht alle verhaltenswirksamen Bedingungen, die die gegenwärtige Situation und Zuständlichkeiten der Person charakterisiert , aufzuspüren und miteinander in kausaldynamische Beziehungen zu setzen.
Lewin(1942) kennzeichnet seine Feldtheorie mit sechs Charakteristika :
- Die Analyse des Verhaltens muß von der Gesamtsituation ausgehen.
- Der Erklärungsansatz muß psychologisch und nicht quasiphysikalisch sein. *Dies geschieht in einer Abgrenzung zum physikalischen Reizverständnis der Behavioristen*. Die wahrgenommene Umweltgegebenheiten sin Grundeinheiten der Kausalanalyse.
- Eine bloße Kopplung von Reiz-Reaktions-Assoziationen ist als Erklärungsansatz nicht ausreichend. Dies ist der dynamische Ansatz der Verhaltenserklärung.
- Es ist nach der konstruktiven Methode vorzugehen, d.h. bloßes klassifizieren von Verhalten reicht nicht aus, denn es bleibt bei der Beschreibung stehen und kann Erklärungsversuche in die Irre führen. Gleiches Verhalten kann eben verschiedene Ursachen haben.
- Das Verhalten ist eine Funktion des gegenwärtigen Feldes. Vergangene Ereignisse können zur Struktur des Feldes beigetragen haben. Man kann aber nicht - wie es etwa die Psychoanalyse tut - gegenwärtiges Verhalten unbesehen auf frühere Ereignisse zurückführen.
- Schließlich sind psychologische Situationen möglichst mathematisch darzustellen, "damit wissenschaftliche Ableitungen möglich werden".Lewin hat in seiner Theorie Gebrauch von der Topologie gemacht (eine Form der Geometrie die nur Nachbarschaften von Regionen aber keine Entfernungen und Richtungen kennt), außerdem hat er Vektoren ( mit ihren drei Bestimmungsstücken Stärke, Richtung und Ansatzpunkt) verwendet.
Lewins (1946a) Forderung nach Analyse der Gesamtsituation resultiert in der berühmt gewordenen Verhaltensgleichung : V=f(P,U). Verhalten ist eine Funktion von Personenfaktoren (P) und Umgebungsfaktoren (U). Diese Idee berücksichtigt die Wechselwirkung zwischen Personen- und Situationsfaktoren im Sinne einer gegenseitigen Beeinflußung.
Lewin hat zur Verhaltenserklärung zwei Modelle entwickelt, die sich teileise ergänzen. Es sind das Personenmodell und das Umweltmodell.
Das Umweltmodell bezieht sich auf Motivationsprobleme, es operiert mit Energien und Spannungen, also skalaren Größen.
Das Personenmodell bezieht sich auf Volitionsprobleme, es operiert mit Kräften und zielgerichtetem Verhalten, also mit vektoriellen Größen.
Das Personenmodell (S. 136-137)
- Eine bloße Kopplung von Reiz-Reaktions-Assoziationen ist als Erklärungsansatz nicht ausreichend.
Im Vordergrund stand für Lewin die Frage nach der Energetisierung : welche der in einer Situation möglichen Handlungstendenzen setzt sich durch und bestimmt das Verhalten. Es handelt sich somit um ein Volitionsproblem.
Wie die folgende Abbildung zeigt, wird die Person durch ein Gebilde repräsentiert, in dem sich viele voneinander getrennte Bereiche befinden. Jeder Bereich steht für ein bestimmtes Handlungsziel. Der Grad der Ähnlichkeit dieser Handlungsziele wird durch die Nachbarschaft von Bereichen bestimmt. Zentrale Bereiche grenzen an mehr benachbarte Bereiche als periphere Bereiche. Damit soll Ich-Nähe, persönliche Bedeutsamkeit von Handlungszielen und Aktivitäten angedeutet werden, sowie deren Einfluß auf benachbarte Bereiche.
Die Grenzzone enthält die Wahrnehmungs- und Exekutivfunktion, die zwischen Person und Umwelt vermitteln.
Gespannte Systeme im Personenmodell
Das Personenmodell ist ein reines Strukturmodell mit Bereichen, Nachbarschaften und Vermittlungsfunktion. Die Grenzen haben nach Lewin eine bestimmte Wandfestigkeit.
Für die dynamische Komponente führte Lewin den Begriff der Spannung ein. Weist ein Bereich eine erhöhte Spannung auf, spricht Lewin von einem gespannten System. Gespannte Systeme streben nach Spannungsausgleich in Relation zu den benachbarten Bereichen. Das kann auf zweierlei Weise geschehen.
Das gespannte System das eine vorweggenommene Handlung repräsentiert, entspannt sich, wenn es Zugang zur Grenzzone der sensumotorischen Exekutive findet, d.h. wenn es das Verhalten bestimmt bis das Handlungsziel erreicht ist.
Bezeichnend ist hierfür der Zeigarnik-Effekt : Unterbrochene Aufgaben werden besser erinnert als erledigte. Das System ist für die unterbrochene Aufgabe noch nicht entspannt.
Findet der angespannte Bereich jedoch keinen direkten Zugang zur Handlung, so wirken die Kräfte auf die Grenzen zu den benachbarten Bereichen. Innerhalb einer bestimmten Zeitdauer kommt es dann durch Diffusion zum Spannungsausgleich.
Mit dieser Art des Spannungsausgleichs durch Diffusion in benachbarte Bereiche, lassen sich Phänomene wie Bedürfnisbefriedigung durch Ersatztätigkeiten erklären.
Die Struktur des innerpersonalen Gesamtbereichs ist nicht ein für alle mal fixiert. Mit individueller Enwicklung und Erfahrung differenzieren sie sich, sie kann sich umstrukturieren und jedes momentane Handlungsziel bildet sich als eigener Bereich heraus.
Handlungsziele bezeichnet Lewin als Quasibedürfnisse, im Sinne von Bedürfnissen abgeleitet. Quasibedürfnisse sind vorübergehender Natur und entstehen häugi durch Vorname eines bestimmten Ziels. Sie verschwinden erst mit Erreichen dieses Ziels. Entscheidend für die Stärke dieser Quasibedürfnisse ist nicht die Intensität des Vornahmeaktes, sondern inwieweit das Quasibedürfnis mit echten Bedürfnissen zusammenhängt, und von ihnen "gespeist" wird.
Ein gespanntes System, sei es durch ein Bedürfnis oder Quasibedürfnis, mit spezifischen Veränderungen in der Umwelt einher. Objekte die der Entspannung oder Bedürfnisbefriedigung dienen können, gewinnen einen Aufforderungscharakter, eine Valenz, die sie aus ihrer Umgebung heraushebt.
Die Stärke der Valenz ist abhängig von der Stärke des gespannten Systems.
Die Anwendungsflexibilität beruht im wesentlichen auf seiner strukturellen Komponente. Es arbeitet mit:
- Variationen der Lagebeziehunginnerpersonaler Bereiche
- Variationen der Wandfestigkeit von Grenzen
- Variationen von übergreifenden Grenverläufen mit erhöhter Wandfestigkeit.
Die folgenende Abbildung vermittelt einen Eindruck von Lewins Überlegungen. Sie zeigt eine Person in verschiedenen Zuständen.
- I Die Person befindet sich in einer ungezwungenen Situation
Die peripheren Bereiche P des innerpersonalen Bereichs sind für die Umwelt leicht zugänglich.wie die Grenze Gp andeutet. Der innerpersonale Berich wirkt über seine peripheren Bereiche relativ ungezwungen auf die sensumotorische Grenzzone M ein. Weniger zugänglich sind die zentralen Bereiche wie es die höhere Wandfestigkeit der Grenze zwischen zentralen und peripheren Bereich Gz andeutet.
- II Die Person befindet sich unter Druck in einem Zustand der Selbstbeherrschung
Die peripheren Bereiche P des innerpersonalen Bereichs sind für die Umwelt weniger leicht zugänglich wie die stärkere Grenze Gp andeutet. Der periphere und zentrale Bereich hängen enger zusammen. Die Kummunikation zwischen innerpersonale Bereich und der sensumotorische Grenzzone M ist weniger ungezwungen.
- III Die Person steht unter sehr starker Anspannung
Es kommt zu einer Vereinheitlichung (Regression oder Primitivierung) des innerpersonalen Bereichs. Dieser Zustand könnte z.B. zu einem undifferentierten Affektdurchbruch führen.
Zum anderen hat Lewin (1935) versucht, Unterschiede zwischen verschiedenen Entwicklungsstufen, sowie Unterschiede zwischen normalen und schwachsinnigen Personen mit Hilfe der Besonderheiten der Materialbeschaffenheit im Modell nachzubilden und zu erklären.
Spezifisch für Lewins Modelle ist die Ausrichtung auf das Erreichen bestimmter Zielzustände.
Wie dies jedoch im Einzelnen zuwege gebracht wird, darüber macht das Personen-modell keine Aussagen.
Überhaupt bleibt unklar, wie im einzelnen gespannte Systeme Zugang zur sensumotorischen Zone finden und wie in dieser bestimmte Exekutivvorgänge Zustande kommen und ablaufen.
Das Personenmodell
Lewin hat häufig das Verhalten von Kindern in freien Situationen gefilmt, und nachträglich die Lokomotion auf die in ihr zum Ausdruck kommenden Strukturen der Umgebung als eines psychologischen Handlungsraumes analysiert.
Um den beobachtenden Phänomenen gerecht zu werden, muß das Umweltmodell Richtungen der möglichen oder ablaufenden Zielhandlungen darstellen können, und zwar in einem psychologischen (nicht geografischen) Raum.Der psychologische Raum, das psychologische Feld, besteht aus verschiedenen Bereichen. Die Bereiche repräsentieren psychologische Möglichkeiten von Handlungen und Ereignissen. Einzelne Bereiche stehen für mögliche positive oder negative Ereignisse. Lewin bezeichnet Zielregionen als positive Valenzen bzw. abschreckende Bereiche als negative Valenzen.
Alle anderen Bereiche repräsentieren instrumentelle Handlungsmöglichkeiten, die an eine Zielregion heranführen oder von einer Abschreckungsregion wegführen.
Um eine Zielregion mit positiver Valenz zu erreichen müssen die zwischenliegenden Bereiche nacheinander durchlaufen werden, d. h. handlungsmäßig realisiert werden.
Das Umweltmodell ist weniger ein Erklärungs- denn ein Darstellungsversuch über kognitive Repräsentationen von Mittel-Zweck-Bezügen. Mit anderen Worten, es handelt sich um die motivierenden Erwartungen der betrachteten Person.
Die dynamische Komponente kommt in einem Kräftefeld zum Ausdruck. Kräfte von gegebener Stärke greifen an der Person an und geben als resultierende Vektorsumme der psychologischen Lokomotion der Person Richtung und Stärke. Greifen entgegengesetzte Kräfte an kommt es zum Konflikt (s. oben)
Das Umweltmodell, ist also im wesentlichen zur Klärung von Motivationsproblemen konstruiert worden, nämlich was wie anzustreben oder zu meiden ist.
Umweltproblem: postdiktiv, nicht prädiktiv
Das Umweltmodell kann Verhalten nicht eigentlich erklären, sondern nur nachkonstruierend darstellen. Es ist postdiktiv, nicht prädiktiv. Denn es stetzt die wesentlichen verhaltensmotivierenden Bedingungen bereits als gegeben und bekannt voraus.
Die heuristische Fruchtbarkeit des Umweltmodells liegt, in der Bedingungsanalyse von Verahlten in relativ freien Situationen.
Beispiele dafür sind die Analyse der Situation von Lohn und Strafe (1931a) und die Typologie des Konflikts (1938;vgl. Kap4) sowie eine einfache Taxonomie der Gerichtetheit des Verhaltens.
- Taxonomie der Verhaltengerichtethei Richtung des Verhaltens
- Lokalisation der Person Aufsuchen Meiden
- Valenzbereich (A) A,A Konsummatorisches Verhalten A,-AFluchtverhalten
-
außerhalb des Valenzbereiches (B) B,A Instrumentelles Verhalten B,-AMeidungsverhalten
Beziehungen zwischen beiden Modellen
Unabhängig von unserem Erleben gibt es eine reale Welt (* das ist wohl eher eine philosphische Frage*), das heist eine nicht-psychologische, eine physikalische Welt. Diese Welt unterliegt physikalischen nicht-psychologischen Gesetzen. Wir können mit unserem Handeln Einfluß auf diese Welt nehmen, und diese wirkt ständig auf unsere psychologische Welt des phänomenal Gegebenen ein.
Wo die Übergänge zwischen diesen beiden Welten liegen und wie sie vonstatten gehen, das wirft die schwierigen Fragen des psychophysischen Problems auf.
Auch Lewin steht vor diesem Problem. (Personenmodell-Umweltproblem) Er ließ die nicht-psychologische Welt einfach an den Randpunkten des Lebensraums beginnen und bezeichnete sie als "fremde Hülle" (foreign hull)
Lewin läßt generell viele Fragen offen. So stehen sich seine beiden Modelle, abgesehen vom oben angerissenen Problem, schon deshalb als unvereinbar gegenüber, weil sich ihre dynamischen Komponenten nicht entsprechen: Im Personenmodell sind es Spannungen , im Umweltmodell Kräfte.
- I Der psychologisch bedeutsame Punkt in dem sich beide Modelle jedoch entsprechen,ist der kovariierende Zusammenhang von Bedürfniszustand der Person und der Valenz eines Objekts.
Diese Aussage wirft die Frage auf, ob Bedürfnis der Person und Valenz der Umgebung lediglich zwei Seiten des gleichen Sachverhaltes sind. Sollte ein gegenseitiger Bedingungszusammenhang von Ursache und Wirkung eine angemessene Annahme sein?
* Mir erscheint es eigentlich recht plausibel, daß phylogenetisch betrachtet nur Bedürfnisse entstehen können, für die eine grundsätzliche Befriedigungsmöglichkeit besteht, also eine Valenz als Bedingung vorliegt. Was hätten auch Bedürfnisse die überhaupt nicht befriedigt werden könnten, für einen Sinn im selektiven Auswahlprozeß des Kampfes ums Überleben ?*
Lewin postuliert , daß jedes Bedürfnis eine entsprechende Valenz (Va) schafft. Diese Valenz wird von zwei Determinanten bestimmt :
- t (tension) : Bedürfnisspannung der Person
- G (goal) : Die wahrgenommene "Natur" des Zielobjekts
Daraus folgert Lewin eine allgemeine Formel : Va(G) = f(t,G)
Lewins Motivationstheorie ist im Kern auf die folgenden Vorgänge beschränkt :
- Irgendwie ist in der Person ein gespanntes System entstanden
- Diese Spannung induziert in der Umwelt eine entsprechende Valenz
- Die Valenz schafft ein Kräftefeld in der Umwelt.
- Das Kräftefeld gibt dem Verhalten der Person Antrieb und Richtung zum Zielfeld.
- Ist das Zielfeld erreicht, so wird das Bedürfnis befriedigt, das System entspannt sich.
Nach Lewin ist die Valenz die entscheidende Determinante der Kraft (f,force) die eine Person (P) in den Zielbereich drängt. Von dieser Kraft nimmt Lewin an, daß sie mit zunehmender psychologischer Entfernung (e, eP,G) zum Zielbereich abnimmt. Dementsprechend formuliert er (1938): fP,G=Va(G) / eP,G
Diese Kraft fP,G müßte man als Motivationsstärke oder resultierende Motivationstendenz bezeichnen.
Später ist Lewin noch einen Schritt weitergegangen, indem erValenz multiplikativ mit einem Erwartungskonstrukt, der sog. Potenz verknüpfte. Die Potenz bestimmt eine positive / negative Wahl in Abhängigkeit der vermuteten Wahrscheinlichkeit. Die in solchen Fällen wirksame Kraft definiert sich als : wirksame Kraft = Va(G) x Po(G) / eP,G
Diese Konzeption führt unmittelbar an die Wert-mal-Erwartungstheorien, die die aktuelle Motivationsforschung bis heute leitet.
-
I Grundsätzlich muß zu Lewins Theorien leider angemerkt werden: So sorfältig die Beziehungen der hypothetischen Konstrukte untereinander ausgearbeitet sind, so vernachlässigt sind deren Beziehungen zu beobachtbaren Gegebenheiten.
Experimentelle Beiträge der Feldtheorie
Wie schon angedeutet, hat das Umweltmodell kaum experimentelle Handlungen angeregt. Eine Ausnahme ist die Untersuchung von Fajans(1933) über die Abhängigkeit der Stärke des Aufforderungscharakters von der Entfernung. (Diese Untersuchung wird weiter unten aufgegriffen)
Nachwirkungen unerledigter Handlungen
Schon Freud (1901) hat eine Fülle von Beispielen für die Nachwirkungen unerfüllter Wünsche, das heißt nicht-realisierter Handlungen gesammelt. Sie melden sich in vielfälltiger Art und Weise wieder zu Wort, sei es im freien Einfall (freie Assoziationen), im Traum oder den sogenannten Fehlleistungen (z.B. Freudscher Versprecher, oder flüchtige Störungen von momentan ablaufenden Handlungen).
Von ähnlichen Beobachtungen, nämlich den Nachwirkungen von Unerledigtem, ging Lewin bei der Entwicklung seines Personenmodells aus.
Eine Schülerin Lewins Bluma Zeigarnik (1927), wies diesen später nach ihr benannten Zeigarnik-Effekt experimentell nach.
Den Vps wurden nacheinander etwa 16-20 verschiedene Aufgaben vorgelegt. Etwa die Hälfte unterbrach der Vl vor Vollendung der Aufgabe.
Die Nachwirkungen der unterbrochenen Aufgaben kamen durch bessere Behaltensleistung (an diese Aufgaben) zum Ausdruck.
Eine Abwandlung dieses Experiments durch Maria Ovsiankina (ebenfalls Schülerin Lewins) nutzte die spontane Wiederaufnahme einzelner Aufgaben, um Nachwirkungen unerledigter Aufgaben zu überprüfen.
Den Vps wurden wiederum nacheinander etwa 16-20 verschiedene Aufgaben vorgelegt. Genau wie bei Zeigarnik wurde etwa die Hälfte vor Vollendung der Aufgabe unterbrochen.
Nach Beendigung des "Tests" blieb das Versuchmaterial vor der Vp ausgebreitet und der Vl verließ den Raum unter einem Vorwand und beobachtete (heimlich) ob und welche Aufgaben wieder aufgenommen werden.
Neben diesen beiden klassischen Verfahren, Behalten und Wiederaufnahme, sind inzwischen vier weitere Verhaltensindikartoren herangezogen worden, um die Nachwirkungen unerledigter Handlungen zu prüfen.
- Die Wiederholungswahl, das heißt die Wahl zwischen zwei wieder vorgelegten Aufgaben, von denen vorher die eine gelöst und die andere nicht gelöst wurde, zur nachträglichen Beschäftigung (Rosenzweig 1933,1945; Coopersmith, 1960)
- Neurovegetative Veränderungen, die sich bei beiläufiger Erwähnung unerledigten Materials beobachten lassen. Verschiedentlich ist eine Erhöhung des Muskeltonus zu beobachten. (Freeman, 1930; Smith 1953; Forrest,1959)
- Unterschiedliche Erkennungsschwellen für Wörter, die vollendete oder abgebrochene Aufgaben bezeichnen. (Postman u. Solomon,1949; Caron u. Wallach, 1957)
- Anstieg der Attraktivität einer Aufgabe nach Unterbrechung (Cartwright, 1942 ; Gebhardt,1948)
Ovsiankina (1928) konnte eine Abhängigkeit des Zeigarnik-Effekt von der psychologischen Distanz eP,G nachweisen. Danach wird der Zeigarnik-Effekt stärker, je kürzer eine Handlung vo ihrer Vollendung unterbrochen wird, also je geringer die psychologische Distanz eP,G
Weiterhin konnte gezeigt werden, daß nicht die Unterbrechung einer Handlung als solche für den Zeigarnik-Effekt entscheidend ist. Entscheidend ist vielmehr die psychologische Situation, wie sie für den Handelnden besteht, ob sein Handlungsziel, etwa die richtige Lösung einer Aufgabe, erreicht sieht oder nicht.
Marrow (1938) hat dies durch eine Umkehrung der Versuchstechnik gezeigt. Er teilte seinen Vps mit, daß er jedesmal unterbreche, wenn die Vp auf dem richtigen Lösungsweg sei. Aufgaben bei denen der Lösungsweg falsch sei, würde er länger bis zur endgültigen Lösung bearbeiten lassen.
Unter diesen Umständen wurden das beendete "Mißerfolgsmaterial" besser erinnert als das unterbrochene Material der (richtigen) Aufgaben.
Komplikationen des Zeigarnik-Effekts
Caron und Wallach (1959) haben ein Experiment durchgeführt, daß Fragen zum Zeigarnik-Effekt durchgeführt.
Einer Gruppe von Vpn wurde mitgeteilt, daß man sie getäuscht habe. Die unerledigten Aufgabe seien in Wirklichkeit unlösbar. Damit müßten die Aufgaben als erledigt betrachtet werden und nach Lewin bei der Reproduktion nicht besser gestellt sein.
Im Vergleich mit einer Kontrollgruppe die die Information der Unlösbarkeit nicht erhalten hatte konnten keine Unterschiede festgestellt werden.
Man muß jedoch zögern , mit diesem Ergebnis die Theorie des gespannten Systems als erledigt betrachten. Die aufklärende Mitteilung könnte ja immerhin das ungelöste Material auffrischen und dadurch einen Entspannungeffekt durch einen zusätzlichen Lerneffekt kompensieren.
Bald häuften sich auch Befunde, die im Widerspruch zur Hypothese stehen scheinen, nach welcher mit stärkeren Quasibedürfnissen auch der Zeigarnik-Effekt stärker sein müßte. Rosenzweig (1941,1943) stellte fest, daß je mehr man den Aufgaben die Bedeutsamkeit von Prüfungsmaterial gab, umso eher verschwand der Effekt oder drehte sich gar um (vgl. auch Alper, 1946,1957; Smock,1957; Green 1963). Rosenzweig erklärt diesen Befund im Rahmen der psychoanalytischen Verdrängungstheorie mit einer Selbstverteidigungstendenz.
Die Befundlage ist jedoch verworren und bis heute uneinheitlich.
Ettliche Faktoren scheinen Einfluß auf den Zeigarnik-Effekt zu haben : Schon Zeigarnik selbst fand Unterschiede der Effektausprägung bezüglich der Disposition "Ehrgeiz" bei ihren Probanten. Marrow (1938) und Green (1963) berichten über einen ausgeprägteren Effekt bei Freiwilligkeit der Versuchspersonen.
Weiter Faktoren untersuchten Alper (1946,1957) "Stärke des Ichs", Mittag (1955) "Geltungsstreben", Worchel (1957) oder Coopersmith (1960) "Selbstachtung", und besonders das "Leistungsmotiv" (Atkinson, 1953; Moulton, 1958; Heckhausen, 1963b; Weiner, 1965a)
Ersatzhandlungen
Zu den Nachwirkungen unerledigter Handlungen gehört auch, daß unbefriedigte Bedürfnisse durch Ersatzhandlungen, die der unerledigten Tätigkeit ähnlich oder von ihr abgeleitet sind, befriedigt werden können.
Bleiben Triebwünsche unerfüllt, so kommt es nach Freud zu "Triebschicksalen", zu Umwandlungen der eigentlichen Triebaktivität, sei es durch Verschiebung des ursprünglichen Triebobjekts auf ein Ersatzobjekt oder durch eine sog. Sublimation der "Triebenergie", die sich dann in anderen Aktivitäten entlädt.
Zur experimentellen Analyse bot sich Ovsiankinas Versuchstechnik der spontanen Wiederaufnahme an.
Zwischen dem Unterbrechen einer Aufgabe und der späteren Gelegenheit sie wieder aufzunehmen, wird eine andere Aufgabe eingeschoben, die vollendet werden kann. Je nachdem, ob danach die ursprüngliche und unterbrochene Arbeit wiederaufgenommen wird oder auch nicht, erweist sich, ob die Zwischentätigkeit einen Ersatzwert hat.
Nach dem Personenmodell (Bereichsgrenzen und Nachbarschaften) ist zu erwarten, daß eine Entspannung des gespannten System am ehesten durch eine Ersatzhandlung erfolgt, die der unterbochenen Aufgabe ähnlich ist.
Unter welchen Bedingungen eine andere Handlung Ersatzwert hat, ist im wesentlichen von drei Schülerinnen Lewins untersucht worden : Lissner (1933), Mahler (1933) und Henle (1944).
Lissner unterbrach Kinder z.B. beim Kneten einer Figur in Plastilin und forderte sie auf, eine andere Figur zu formen.
Der Ersatzwert für die ursprüngliche Aufgabe stieg mit der allgemeinen Ähnlichkeit zwischen beiden Aufgaben. Als weitere wichtige Dimension für den Ersatzwert stellte sich der Grad der Aufgabenschwierigkeit. War die Ersatztätigkeit leichter als die ursprüngliche Tätikkeit so war der Ersatzwert gering.
Mahler hat Ersatzhandlungen nach ihrem Realisierungsgrad variiert; z.B. eine unterbrochene Tätigkeit in der Vorstellung, in sprachlicher Form oder in tatsächlichem Handeln zu Ende bringen. Der Ersatzwert steigt mit dem Realitätsgrad der Zwischentätigkeit an.
Henle hatte ihren Ansatz im Hinblick auf das Umweltmodell gewählt. Zunächst schätzten die Vps eine Reihe von Aufgaben hinsichtlich ihrer Attraktivität ein. Damit wird es möglich, das Verhälntnis der Valenzen von unterbrochener und Ersatzhandlung zu bestimmen.
War die Valenz der Ersatzhandlung geringer als jene der unterbrochenen Handlung, so war der Ersatzwert gering oder null. Umgekehrt stieg der Ersatzwert an, je mehr die Valenz der Ersatzhandlung die Valenz der Ursprungshandlung übertraf.
Psychologische Distanz und Valenzstärke
Fajans (1933) hat zwei Altersgruppen von Kindern (Kleinkinder und Fünfjährige) ein attraktives Spielzeug in unterschiedlichen räumlichen Distanzen vorgelegt, die stets die Reichweite der Kinder überschritten. Sie hat dann die Ausdauer des zielgerichteten Verhaltens ( Hände ausstrecken, Hilfe vom Vl erbitten, Suche nach Werkzeugen) sowie die Dauer der affektiven Frustrationsreaktionen registriert.
Nach einiger Zeit, die für beide Altersgruppen gleich war, gaben die Kinder schließlich auf. Die Zeitdauer, bis dieser Punkt erreicht ist, nimmt für beide Gruppen zu, je geringer die Distanz zum Zielobjekt ist. Bei den Kleinkindern nahm mit abnehmender Distanz zudem die Intensität der affektiven Reaktion zu.
Diesen Befunden ist zu entnehmen, daß die Valenz eines Handlungsziels mit geringer werdender psychologischer Distanz ansteigt.
Tolmanns Analyse Zielgerichteten Verhaltens (S.150)
Lewin setzt Valenzen und Erwartungen voraus, sie sind bereits da. Unabhängig von Lewin kam Tolman Ende der zwanziger Jahre mit Rattenexperimenten zu ähnlichen Erklärungsansätzen wie Lewin. Als überzeugter Behaviorist zweifelte Tolmann nocht daran, daß nicht-beobachtbare kognitive Vorgänge im Lebewesen entscheidend für dessen Verhalten sind. Tolmann war bemüht diese Vorgänge in Beobachtbares zu übersetzen. Er versucht sozusagennicht beobachtbares Inneres nach außen zu stülpen, indem er es an den beobachtbaren vorauslaufenden Bedingungen und den nachfolgenden Bedingungen fixiert - sozusagen dazwischen einklemmt.
So klärt Tolmann als erster die Natur der intervenierender Variablen als hypothetische Konstrukte und die Notwendigkeit der operationalen Verankerung in Operationen und Beobachtungen.
Erwartung und Zielgerichtetheit (S.151)
Tolmann verfolgt einen "psychologischen" Behaviorismus . Was ihn von den Lernpsychologen seiner Zeit unterscheidet und gleichzeitig in die Nähe von Lewin rückt, waren vor allem drei miteinander zusammenhängende Sichtweisen der Verhaltenserklärung.
- Zum ersten bevorzugt Tolmann molare Beobachtungseinheiten gegenüber molekularen. Also nicht einzelne Muskelbewegungen oder Drüsenaktivitäten, sondern größere Abläufe im Gesamtverhalten lassen Zielgerichtetheit oder Absicht (purpose) erkennen.
- Zweitens trägt die vorschnelle Rückführung des Verhaltens auf physiologische oder neurologische Prozesse wenig zur Verhaltenserklärung bei. (Jedenfalls solange diese physiologischen Grundlagen noch nicht geklärt sind).
- Drittens ist Verhalten unter dem Aspekt der Zielgerichtetheit auf Zielobjekte und Zustände zu betrachten und zu analysieren.
Drei Aspekte der Zielgerichtet der Zielgerichtetheit hat er besonders herausgearbeitet : Ausdauer (persistance) Gelehrigkeit (docility) und Auswahl (selectivity)
Da operantes Lernen offensichtlich von der Wirkung, vom Erfolg, von der Bedürfnisbefriedigung abhängig ist, und da man sich den Lernvorgang selbst nicht anders denn als Reiz-Reaktionverbindungen vorstellen konnte, blieben die motivationalen Bedingungen der beobachteten Lernleistungen lange unerkannt.
Die klassischen Paradigmen des Lernexperiments sind so eingerichtet, daß der fortschreitende Lernvorgang unmittelbar im Verhalten seinen Niederschlag findet, um als Lernleistung faßbar zu werden. So erschien es müßig, zwischen Lernen und Verhalten, zwischen dem , was gelernt wird, und dem , was getan wird, überhaupt zu unterscheiden.
Anreiz-Effekte (S.152)
Die eingeengte Reiz-Reaktions Sichtweise vertrug sich nicht mit Tolmanns Programm, nachdem das Molare und Zielgerichtetheit am Verhalten für entscheiden hält.
Muß man sich Lernen wirklich als Einstanzen fester Reiz-Reaktionsverbindungen vorstellen ? Kann Lernen nicht in der Herausbildung kognitiver Landkarten (cognitive maps) bestehen, die jeweils Anlaß zu Erwartungen geben, was zu was führt ?
Bevor die einzelnen Untersuchungen dargestellt werden, soll der verwendete Versuchsaufbau kurz skizziert werden.
Simmons machte als erste den Anreizfaktor zum Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Sie fand, daß Ratten das Labyrinth schneller lernen, wenn sie begehrtes Futter finden.
Die Ratten waren alle gleich hungrig. Vor jedem Durchgang durften sie in der Zielkammer kurz vom ausgelegten Futter kosten und wurden dann an den Start gesetzt. Bei begehrtem Futter stieg von Durchgang zu Durchgang die Laufgeschwindigkeit schneller an und die Fehleranzahl sank schneller ab, als dies bei einer Gruppe mit normalem Futter der Fall war.
Folgende Schlußfolgerungen bieten sich an.
Entweder wird bei stärkerem Anreiz schneller gelernt. Diese Erklärung würde der (späten) Hullschen Bekräftigungstheorie entsprechen.
Oder es wird unter beiden Anreizbedingungen gleich gelernt, nur sind die Tiere unter geringerem Zielanreiz weniger stark motiviert, das Ziel schnell zu erreichen. Diese Erklärung entspricht dem Tolmannschen Postulat, daß die Stärke des Zielverlangens eine Determinante ist, die neben dem jeweiligen Lernstand das Verhalten unmittelbar beeinflußt.
Elliott (1928) hat das Tollmannsche Postulat untermauert, indem er während des Erlernens eines Labyrinthes die Anreizstärke gewechselt hat.
Eine Kontrollgruppe, erhielt in allen Durchgängen Sonnenblumenkerne (weniger begehrt). Die Experimentalgruppe erhielt in den ersten 9 Durchgängen ein begehrtes Kleiegemisch. Zum 10. Durchgang wurde das Futter gewechselt - Sonnenblumenkerne statt Kleigemisch.
Wie die Grafik zeigt, tritt zum 10. Durchgang eine plötzliche Erhöhung der Fehleranzahl auf. Da diese schlecht auf einem schlagartigen Verlernen des Labyrinths beruhen kann, muß sie auf einem vom Lernen unabhängigen Motivationsprozeß beruhen.
Es ist demnach zwischen Lernen und Verhalten zu unterscheiden und dem Anreiz als Zielobjekt eine unabhängige Wirksamkeit einzuräumen.
Latentes Lernen : Trennung zwischen Lernen und Motivation (S.154)
Ein Grenzfall der Anreizvariation besteht im Wegfall jedes Anreizes. In diesem Fall findet keine Bekräftigung statt und ein zielgerichtetes Verhalten ist nicht zu erwarten. Aber wird dennoch gelernt ?
Daß dies tatsächlicher der Fall ist, hat Blodgett (1929) in Experimenten zum sogenannten latenten Lernen im Verhalten sichtbar gemacht.
Drei Gruppen gleichhungriger Ratten wurden an neun aufeinanderfolgenden Tagen je einmal in ein Labyrinth gesetzt.
Die erste Gruppe fand vom ersten Tag an Futter in der Zielkammer. Die zweite Gruppe erst vom dritten Tag an. Die dritte Gruppe erst vom siebten Tag an.
Als Verhaltensleistung wurde die Fehlerrate gemessen.
Jede Gruppe erreichte schlagartig die Verhaltensleistungen der ersten Gruppe, die vom ersten Tag an bekräftigt worden war.
Die Befunde machen wichtige Zusammenhänge klar. Lernen hat hier ohne Bekräftigung stattgefunden. Bekräftigung kann also keine notwendige Bedingung für lernen sein. Lernen kann latent bleiben, d.h. es muß sich wärend des Lernens nicht im Verhalten niederschlagen.
Thorndikes Gesetz der Wirkung ist kein Lern- sondern ein Verhaltensprinzip. Im Verhalten treten sowohl Lernen wie Motivation als getrennte Bedingungsfaktoren gemeinsam auf.
Das Verhalten erklärt sich also aus einem Zusammenwirken von zwei intervenierenden Variablen, einem Lernfaktor (Wissen um die Wege im Labyrinth) und einem Motivationsfaktor (Zielverlangen zum Futter).
Der Lernfaktor führt zur Zielerwartung in Form von Handlung-Folge-Kontingenzen.
Der Motivationsfaktor also das Zielverlangen, ist von physiologischen Bedürfnissen / Trieb und vom Anreiz des Zielobjekts abhängig.
Mit Zielverlangen und Zielerwartung ist es Tolmann gelungen zwei intervenierende Variablen zu konstituieren, die nicht nur kognitiver Natur sind, sondern auch zwischen den beobachtbaren Daten der vorauslaufenden Bedingungen und des Nachfolgenden Verhaltens in solcher Weise vermitteln, daß sich beobachtbare Zielgerichtetheit im Verhalten erklären läßt.
Erwartungs-Wert-Matrix (S.155)
Tolman (1951,1959) hat seine Motivationstheorie später noch etwas ausgebaut ( wobei er verglichen mit Hull wenig systematisch vorging). Neben den Bedürfniszuständen motivieren die beiden intervenierenden und kognitiven Variablen Erwartung (belief) und Wert (value) zum jeweiligen Verhalten. Wert ist gleich der Anreiz des Zielobjekts. Beide Variablen , Erwrtung und Wert sind gewöhnlich nicht frei kombinierbar. Sie hängen vielmehr matrizenartig in etablierten Überzeugungssystemen miteinander Zusammen, in einer Erwartungs-Wert-Matrix.
Erwartung und Anreiz, S-R-theoretisch konzipiert (S. 157)
Die Verfechter einer assoziationstheoretischen Verhaltenserklärung sahen in S-R-Verbindungen das kausale Grundschema von Ursache und Wirkung. Die Befunde Tolmans nahm Hull als Herausforderung an. Im Unterschied zum Lernen als einem Verstärken von S-R-Verbindungen mußte eine Prozeß der Motivation als ein Anstreben von Zielen anerkannt werden.
Der frühe Hull (S. 157)
Um Motivation letztenendes auf S-R-Verbindungen zurückzuführen, galt es, den vorwegnehmenden Zielerwartungen, diesen verhaltensleitenden aber mentalistischen "Ideen" über das angestrebte Ziel hinaus, eine substantielle, d.h. "physikalische" Grundlage in S-R-Ereignissen zu geben.
In dieser ersten Phase seiner Theoriebildung entwickelte Hull den sogenannten rG-sG-Mechanismus, die fragmentarisch vorwegnehmende Zielreaktion.
Wie Pawlow gezeigt hatte, können bislang neutrale Reize eine Signalwirkung gewinnen und bevorstehende Ereignisse ankündigen. Daß sie damit etwas schaffen, was dem Wissen um Künftiges analog ist, läßt sich aus dem Verhalten wie der Speichelreaktion sehen.
Nimmt man nun an, daß die auf einen äußeren Reiz (S1) erfolgende Reaktion (R1) eine propriozeptive Rückmeldung aht, d.h. einen inneren Reiz (s1) zur folge hat, so kann der innere Reiz zeitlich mit dem nächsten äußeren Reiz (S2) zusammenfallen, der seinerseit R2 auslöst. Dami läuft s1 unmittelbar R2 voraus und kann sich mit ihm assozieren. Auf diese Weise könnte schon ein äußerer Reiz S1 genügen um, durch die inneren Reize vermittelt, die ganze Kette an Reaktionen ablaufen zu lassen. Dabei ist zu beachten, daß die Sn-Rn - Verknüpfungen umso stärker sind, je näher sie an der Zielreaktion liegen, die Kette baut sich also vom Ende her auf.
Eine solcherart konditionierte Kette von Reaktionen kann sehr schnell ablaufen, gewöhnlich schneller, als die Kette von Stimuli, die die Änderungen der Außenwelt bis zum Erreichen des Zielobjekts repräsentieren. Die Reaktionsabfolge ist schneller als die Stimulusabfolge, R3 erfolgt also schon bevor S3 überhaupt eintritt.
- I Ereignisse im Organismus sind Ereignissen in der Außenwelt schon voraus. Damit kann der Organismus schon auf etwas reagieren, was in Wirklichkeit noch gar nicht eingetreten ist : Die Grundlage für Voraussicht ist gegeben.
In den reinen Stimulus-Akten sah Hull die neurologische Grundlage kognitiver Prozesse.
In dem Bemühen ,S-R-theoretische Grundlagen für verhaltensleitende Zielerwartung zu finden, entwickelte Hull das Konzept der fragmentarisch vorwegnehmenden Zielreaktion, der rG-sG - Mechanismus. Hull nimmt (wie Freud) an, daß jeder Bedürfniszustand von einem Triebreiz begleitet wird, der bis zur Befiedigung des Bedürnisses andauert und sich so mit allen darauf folgenden Reaktionen und der späteren Zielreaktion selbst assozieren kann. Wie beschrieben kann ein Triebreiz, sobald er auftaucht, schon gleich die Zielreaktion hervorrufen. Würde die Zielreaktion jedoch gleich ausgeführt, könnte sie die notwendigen instrumentellen Reaktionen die wirklich zur Zielreaktion führen behindern. Die vorweggenommene Zielreaktion wird deshalb schnell nach dem Gesetz der Wirkung gelöscht. Zurück bleibt ein Fragment der eigentlichen Zielreaktion. (*Löwe sieht Beute, würde jetzt sofort die Zielreaktion z.B. "Fressen" ausgeführt, würde die eigentliche Beutejagd behindert. Zurückbleiben könnte ein Fragment der Zielreaktion wie etwa Speichelfluß die die Jagd nicht behindert*).
Das Fragment der Zielreaktion rG hat eine propriozeptive Rückmeldung in einem inneren Zielreiz SG der das Zielereignis repräsentiert. Er kann als Grundlage dessen angesehen werden, was Tolman als Zielerwartung auffaßt.
Trotzdem mußten Befunde zum latenten Lernen nach Hulls Theoriensystem ganz und gar unerklärlich bleiben. Hier leigt zwar ein Triebreiz vor, aber keinerlei Zielreaktion. Ein rG-sG - Mechanismus konnte sich somit nicht aufbauen. Das sprunghafte aufholen zu Kontrollgruppenleistung muß auch nach dieser Erweiterung der S-R-Theorie ein Rätsel bleiben.
Der mittlere und späte Hull (S. 159)
In der letzten Phase seiner Theoriebildung, versucht Hull, den zu beobachtenden Phänomenen gerecht zu werden. Als Ausmaß und Art der Bekräftigung führt er den motivationalen Faktor K ein. Die Stärke von K ist eine Funktion der Stärke der konsummatorischen Reaktion, die selbst wieder vom Anreiz des Zielobjekts abhängt.
Hulls Formel für das Reaktionspotential nimmt somit folgende Gestalt an : SER = D x K x SHR
Die Weiterentwicklung durch Spence (S. 160)
Im Unterschied zu Huul verband Spence die beiden Motivationsfaktoren, D und K, additiv, so daß das exzitatorische Potential (das Äquivalent zu Hulls Reaktionspotential) die folgende Form erhielt :
- E = (D + K) x H
Diese Konzeption ist eher in der Lage Befunde zur Anreizwirkung und zum latenten lernen zu erklären.
Neuere Fortentwicklungen (S. 161)
Inzwischen sind es Anreiztheorien denen die modernen Motivationsforscher in der einen oder anderen Form den Vorzug geben. (gegenüber Trieb- oder Bekräftigungstheorien)
Zwei Grundfragen jeder Anreiztheorie bestimmen die Auseinandersetzung mit den Postulaten der klassischen S-R-Theorie.
- Reicht nicht ein Motivationsfaktor indem Anreiz auch Trieb erfaßt ?
- Ist das Postulat der habit bildenden Wirkung der Bekräftigung nicht überflüßig ?
Besonders die Nützlichkeit des Bekräftigungsbegriffs wird heute immer stärker in Zweifel gezogen.
Zwei ehemalige Schüler Hulls, McClelland und Mowrer nahmen die motivationale Erregtheit zum Ausgangspunkt ihrer Theorienentwicklung.
Für McClelland besteht Motivation in der Erwartung eines früher schon erfahrenen Wandels in einer affektiv bedeutsamen Situation. Auslöser ist ein ein Hinweisreiz, der die frühere affektive Situation partiell reaktiviert.
Für Mowrer sind es vier Arten der Erwartung (Hoffnung, Furcht, Enttäuschung und Erleichterung) die im Sinne der Anreizmotivation das Verhalten sowohl aktivieren als auch ausrichten. Die Erwartungsmotivationen intensivieren nach sem Regelungsprinzip, Hoffnung zu mehren und Furcht zu mindern, die ablaufende instrumentellen Reaktionen auf dem Wege zum Zielzustand.
Reaktionsbekräftigung, ein unnötiger Erklärungsbegriff (S. 163)
Im Laufe der Forschung, wurde die Erklärungslast für das instrumentelle, zielgerichtete Verhalten mehr und mehr einer situativ angeregten und erwartungsbezogenen Anreizmotivation zugesprochen.
Dabei hat sich die klassische Konditionierung nach Pawlow als unentbehrlich bei der Erklärung erwartungsbezogenen Handelns erwiesen.
Zielgerichtetes Verhalten erscheint nicht mehr durch einen allgemeinen Trieb von hinten angeschoben, es wird vielmehr von erwarteten Zielzuständen angezogen die auf Handlung-Folge-Erwartungen basieren.
Walkers Analyse der lerntheoretischen Erklärungsbegriffe (S. 164)
Walker teilt die Konzepte der Lerntheorie in vier Klassen hypothetischer Konstrukte ein : Schub (push), Zug (pull), Struktur (structures) und Kleber (glue).
- Zur Konzeptklasse des Schubes gehören : Trieb, Motiv, Aktivation, Spannung.
- Zur Konzeptklasse des Zuges gehören : Anreiz, Valenz, etc.
- Zur Konzeptklasse des Struktur gehören : kognitive Organisation, Wissen.
- Zur Konzeptklasse des Klebers gehören : Bekräftigung (als hypothetisches Konstrukt der S-R-Verbindungen stiftet und verstärkt).
Von den vier Konzeptklassen werden drei durch vorauslaufende Bedingungskontrolle manipuliert : Schub durch Entzugsdauer, Zug durch die Zielobjekte mit Anreizcharakter, Struktur durch vorherige Erfahrungsbildung.
Walker stellte fest, daß Strukturänderungen (Lernen) immer ausreichend mit diesen drei Klassen von Konstrukten zu erklären sind und daß deshalb Bekräftigung als Kleber ein überflüssiger Erklärungsbegriff sei.
Das kognitive Modell der Anreizmotivation von Bolles (S. 164)
Auch Bolles sieht in der Bekräftigung ein überflüßiges Konstrukt. Was gelernt wird sind zwei Typen von Erwartung.
Die erste Art bezieht sich auf Kontingenzen zwischen äußeren situativen Gegebenheiten und ihren Folgen : S-S* Stimulus-Folge-Kontingenzen.
Die zweite Art bezieht sich auf Kontingenzen zwischen eigenen Handlungen und ihren Folgen : R-S* Handlungs-Folge-Kontingenz .
Bolles 5 Gesetze:
- primäres Gesetz des Lernens : Lernen besteht in der Ausbildung von Erwartungen über neue Kontingenzen zwischen Ereignissen der Umwelt : Stimulus-Folge Kontingenzen : S-S*.
- Lebewesen sind offentsichtlich in der Lage neben Abfolgen zwischen Umweltereignissen, auch Abfolgen zwischen eigenem Handeln und dessen Folgen in der Umwelt zu erfassen: Handlungs-Folge-Kontingenzen : R-S*
- Gesetz der Ausführung : Wenn S-S* und R-S*, dann kann ich S* erreichen wenn ich R einsetze sobals S vorliegt.
- Gesetz der vorgängigen Erfahrungen. Angeborene und erlernte Erfahrungen die ein Lebewesen in eine Situation einbringt können sich als vorherrschend erweisen. (Dressurproblematik)
- Gesetze der Motivation. Die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion steigt
- a) mit der Stärke der S-S* Verbindung
- b) mit der Stärke der R-S* Verbindung
-
c) mit dem Wert von S* (Valenz)
Das quasi-physiologische Modell der Anreizmotivation von Bindra (S. 167)
Er verwirft ebenfalls das S-R-Theoretische Postulat. Er begründet dies damit, daß Lernen auch ohne die Möglichkeit eine Reaktion ausführen zu können, möglich ist. Einen krassen Nachweis dafür erbringt er mit seinen Curare(lähm. Gift)-Versuchen. Dabei lernten die curarisierten Versuchstiere nur durch sehen eines Anreizobjektes ohne eine motorische Reaktion ausführen zu können. Demzufolge verzichtet er auf R-S* was er auf S-S* zurückführt.
Motivation ist ein Zusammenspiel von organismischen Bedürfniszustand und äußeren Anreizen die zusammen einen zentralen Motivzustand hervorrufen.
Erwartungs-Wert-Theorien (S.167)
Auch unabhängig voneinander Theorien streben mittlerweile auf den Modelltyp der Erwartungs-Wert-Theorien. Dies äußert sich in Lewins Valenz-Begriff oder Tolmans Begriff des Zielverlangens.oder Hulls fragmentarisch vorweggenommene Zielreaktion.
Mowrer führte schließlich Erwartungsemotionen ein. Bolles zwei Arten der Erwartung mit S-S*, R-S*
Entscheidungstheorie (S.168)
Neumann und Morgenstern entwickelten aus dem Konzept des erwarteten Nutzens ein deskriptives Verhaltensmodell. Hiermi kann man eine subjektive Nutzenfunktion für ein Indiv. erstellen. Hierzu lassen sie aus Alternativkombinationen von Nutzen und Wahrscheinlichkeit wählen und stellen diejenigen Alternativen fest zwischen denen die Wahl indifferent bleibt.
z.B. Hans ist indifferent gegenüber der Alternative 1. 12 DM zu behalten oder 2. 20 Mark mit einer 50% Wahrscheinlichkeit oder eben nichts mit 50 % Wahrscheinlichkeit. Der Betrag von 12 DM hat also die Hälfte des erwarteten Nutzens von 20 DM.
Entdeckt wurden system. Verzerrungen an den Enden der Wahrscheinlichkeitsskalen : hohe p werden eher über- und niedrige p eher unterschätzt.
Kahneman und Tversky fanden, daß man mit der Bestimmung des Wertes zwischen Gewinn und Verlust unterscheiden muß. Die Wertfunktion ist im Bereich der Verluste steiler als im Bereich der Gewinne.
Siehe dazugehörendes Exp. von Irwin : das Eintreten eines erwünschten Ereign. wird gegenüber einem unerwünschten überschätzt.
Anspruchsniveau und Theorie der resultierenden Valenz S.172
Hoppe ging es ursprünglich um die Frage, wovon es abhängt, ob ein erzieltes Leistungsergebnis als Erfolg oder Mißerfolg erlebt wird.
Dabei stellte er fest, daß die Ursachen für das Erfolgserleben nicht im Schwierigkeitsgrad der Aufgabe allein, sondern auch vom Anspruchsniveau der Vp bestimmt wird.
- wird das Anspruchsniveau überschritten -> Erfolg
- wird das Anspruchsniveau unterschritten -> Mißerfolg
Die Spaltung des Anspruchsniveaus in ein öffentlich bekanntgegebenes und ein privat gehaltenes ist ein Phänomen, das auch im Alltag oft zu beobachten ist.
Erfolgserwartung und Valenz (S.173)
Jeder Schwierigkeitsgrad hat eine positive Valenz für den Fall des Erfolgs und eine negative Valenz für den Fall des Mißerfolgs. (S-förmige Funktion)
Neben der Valenz für Erfolg Vae spielt also noch die Erfolgserwartung (Wahrscheinlichkeit Erfolg = We) eine wesentliche Rolle. Dabei wird das Produkt aus Valenz und Erwartung als Erfolgsvalenz bezeichnet :
VaexWe=Erfolgsvalenz bzw. VamxWm=Mißerfolgsvalenz
Die wahrgenommene Schwierigkeit ist keine lineare Funktion sondern im Bereich der geringen Schwierigkeit (selbstwertdienlich) verzerrt.
Die resultierende Valenz ist die Summe der Erfolgsvalen und Mißerfolgsvalenz
- Var=(VaexWe)+(VamxWm)
Atkinsons Risiko-Wahl-Modell (S. 175)
- Atkinson hat die beiden erwartungsgewichteten Werte für den Erfolgs- bzw. Mißerfolgsfall zusätzlich mit Personenparametern der Motivstärke gewichtet.
- Er ersetzt den Valenzbegriff durch den Anreizbegriff.
- subjekt. Wahrscheinlichkeiten für Erfolg u. Mißerfolg sind komplementäre Größen :
1=We+Wm -> We=1-Wm
- Der Erfolgsanreiz Ae und der Mißrfolgsanreiz Am wachsen in dem Maße an, wie die Erfolgs, bzw. Mißerfolgswahrscheinlichkeiten abnehmen. ( Erfolg in einer der nahezu unmöglich war hat einen hohen ERfolgsanreiz, Mißerfolg in einer Situation in der Mißerfolg nahezu unmöglich war (ultrapeinliche Situationen) hat einen hohen Mißerfolgsanreiz.):
Ae=1-We , Am=1-Wm=-We wegen 1.
- Der Entscheidende Schritt Attkinson besteht in der Einführung einer Personenkomponente des Motivs (M) daraus folgt ein neues Valenzkonstrukt a la Atkinson für Erfolgsvalenz Vae und Mißerfolgsvalenz Vam
Vae=MexAe bzw Vam=MmxAm
- Durch zufügen der zugehörenden subj. Erfolgswahrscheinlichkeiten erhalten wir die aufsuchende Erfolgstendenz (Te) bzw. die meidende Mißerfolgstendenz (Tm)
Te=MexAexWe bzw Tm=MmxAmxWm
- Die resultierende Tendenz (Tr) läßt sich als Summe der aufsuchende Erfolgstendenz (Te) und der meidende Mißerfolgstendenz (Tm) darstellen.
Tr=Te+Tm
Tr= (MexAexWe ) + (MmxAmxWm )
(da Ae= , Am=1-Wm=-We ;Wm=1-We)
Tr= (MexWex( 1-We )) + (Mmx(-We)x(1-We))
Tr= (Me - Mm)x(We-We2)
Die Mißerfolgstendenz ist wegen des negativen Mißerfolgsanreizes immer negativ. (oder 0 wenn Mm =0). Das Mißerfolgsmotiv kann somit als die hemmende Kraft betrachtet werden. Ist das Mißerfolgsmotiv stärker ausgeprägt als das Erfolgsmotiv, so sind die resultierenden Tendenzen für jeden Schwierigkeitsgrad negativ. (->Meidungsverhalten). Eine solche Person müßte dementsprechend der Bearbeitung jeder Aufgabe aus dem Weg gehen (oder z. B. jede Prüfung meiden). Da ein völliges Ausweichen jeglicher Leistungsanforderung jedoch nicht möglich ist (Druck von Außen) nimmt Atkinson das Wirken zusäztlicher nicht-leistungsbezogener Motive an (Tex).
Tr=Te+Tm+Tex
Rotters soziale Lerntheorie (S.178)
Die Bezeichnung sozial wählte Rotter, weil er davon ausgeht, daß die hauptsächlichen und grundlegenden Arten des Verhaltens in sozialen Situationen gelernt werden.
In einer gegebenen Situation hat jede Handlungsalternative ein bestimmtes Verhaltenspotential. (behavior potential, BP). BP ist eine Funktion aus 1. der Stärke der Erwartung (E) und 2. des Bekräftigungswertes (reinforcement value, RV)
- BP = f (E&RV)
Von den in einer Situation gegebenen Handlungsalternative setzt sich die mit dem größten Verhaltenspotential durch.
Einen entscheidenden Schritt machte Rotter mit der näheren Spezifizierung der Erwartung. Die Erwartung setzt sich aus einer spezifischen Erwartung der Situation (in genau dieser Situation gemachte Erfahrungen, E´) und einer Generalisierten Erwartung (GE) die sich aus Erfahrungen in ähnlichen Situationen herausbildet.
-
E=f(E´&GE)
Empirische Belege
siehe den Versuch von Rotter et al (1961) S.180
Instrumentalitätstheorie
Parallel zu Rooter formulierte Helen Peak(1955) ähnliche Überlegungen.
Der affektive Gehalt einer Einstellung zu einem bestimmten Sachverhalt ist eine Funktion aus
- der Instrumentalität dieses Sachverhalts. Instrumentalität ist die subjektive Wahrscheinlichkeit, von negativen oder positiven Konsequenzen.
- und der Befriedigung die aus der Zielerreichung gewonnen wird.
Die affektiver Wertgeladenheit entspricht nun der Summe aller möglichen Konsequenzen als Instrumentalität x Befriedigungswert einer Situation.
Bsp Einführung von Studiengebühren
mgl. Konsequenz(Ausschnitt) (Instrumentalität) subj. Wahrscheinl. x Befriedigungswert = Affektladung
...weniger Geld zur Verfügung 1,0 - 8 - 8
bessere Studienbedingungen 0,33 + 6 + 2
schnellerer Studienabschluß 0,10 + 5 + 0,5
längeres Studium... 0,40 - 3 - 1,2
affektive Wertgeladenheit - 6,7
Rosenberg konnte (1956) in einer empirischen Untersuchung zur Rassentrennung bestätigen. (s. 5.22 S.181). Der Betriebs- und Arbeitspsychologe Georgopolous et. al. (1957) wendete in einer Untersuchung zur Arbeitsmotivation das Modell erfolgreich auf die Arbeitsproduktivität von 621 Arbeitern an.
Vrooms Instrumentalitätsmodell
Vroomverknüpft die Instrumentalität und Valenz (Wert) multiplikativ. Je größer dieses Produkt umso stäker ist die Motivation oder Handlungstendenz.
Die Instrumentalität kann die Werte von -1 bis + 1 annehmen (im untersch zur subj. Wahrschl.keit 0-1) das Handlungsergebn kann positiv oder negativ sein :
zur Erläuterung :
- ein Handlungsergebnis führt zu negativen Handlungsfolgen (pos. Instrumentalität und negat. Valenz)
- ein Handlungsergebnis vermeidet negativen Handlungsfolgen (neg Instr. und neg Valenz)
- ein Handlungsergebnis führt zu pos Handlungsfolgen (pos. Instrumentalität und pos. Valenz)
- ein Handlungsergebnis vermeidet pos. Handlungsfolgen (neg Instr. und pos Valenz)
Hier liegt der entscheidende Unterschied zu Atkinsons Modell
z.B. Ein Schüler befürchtet nicht versetzt zu werden (negat. Valenz). Durch vermehrte Anstrengung hofft er das befürchtete Ereignis noch abzuwenden (neg. Instr. für Sitzenbleiben). Die Furchbezogene Anreizmotivation führt zu einer Erhöhung der Motivation.
Nach Attkinson dessen Erwartung nur zwischen 0 und 1 variiert müßte der Schüler in Inaktivität verfallen. Dafür hat Attkinson dann die "extrinsische Tendenz" als relativ unbestimmten Wert einführen müssen.
Drei Teilmodelle für Valenz Handlung und Ausführung
Vrooms Instrumentalitätstheorie läßt sich in 3 Prozeßmodelle untergliedern Valenzmodell Handlungs-modell, und Ausführungsmodell.
Variablenschema in Vrooms Instrumentalitätsmodell
1. Valenzmodell
Vj : Valenz des Handlungsergebnisses j
Vk : Valenz der Handlungsfolge k
Ijk : Instrumentalität (-1 bis +1) des Handlungsergebnisses für die Handlungsfolge k
Mit diesem Modell läßt sich augenscheinlich nur die wertmäßige Situation eines Individuums erklären, wenn es bereits in einer bestimmten Richtung und Intensität handelnd tätig ist. z.B. Erforschung der Arbeitsplatzzufriedenheit
2. Handlungsmodell
Um Handlungen von Individuen z.B. Verhaltensunterschiede zu erklären muß die Stärke der Erwartung berücksichtigt werden.
Fi : psychologische Kraft die Handlung auszuführen
Eij : Stärke der Erwartung (0-1) daß die Handlung i zum Handlungsergebnis j führt.
Vj : Valenz des Handlungsergebnisses j
Mit der Anwendung dieses Modells lassen sich Verhaltensunterschiede in Leistungssituationen erklären. z.B. Betriebspsychologische Untersuchungen zur Anstrengung
3. Ausführungsmodell
Genau betrachtet sagt das Handlungsmodell der psychologischen Kraft (F) nicht die Handlung sondern vielmehr den aufgewendeten Anstrengungsgrad (Motivation) voraus. Zur Vorhersage einer Handlung verknüpft Vroom deswegen die Fähigkeit einer Person mit der psychologischen Kraft (Anstrengung, Motivation, F).
Handlungsergebnis = f (Fähigkeit) x
Handlungsergebnisse und Handlungsfolgen (S.185)
Es stellt sich die Frage, ob ein Handlungsergebnis nun eine Valenz in sich selbstoder seine Valenz nur (indirekt) durch Handlungsfolge erhält. Der Stand der Diskussion erscheint unklar. Es läßt sich aber eine Unterscheidung in intrinsiche und extrinsische Valenzen treffen.
Intrinsische Valenzen beruhen auf Selbstbewertungsprozessen und umfassen z.B Selbstwertgefühl oder Gefühle der Selbsverwirklichung. Demgegenüber stehen extrinsische Valenzen die durch äußere Instanzen wie etwa Autorität, Prestige, oder Gehalt bedingt werden.
Am ehesten könnten wohl intrinsische Valenzen dem Handlungsergebnis direkt zugeordnet werden obwohl auch hier Selbstbewertungsprozesse eine Mittlerrolle spielen.
empirische Überprüfung (S 187)
Die Theorie von Vroom hat sich in etlichen Feldstudien als fruchtbar erwiesen. Dabei fanden sowohl das Valenz- als auch das Handlungsmodell empirische Bestätigung.
In allen Untersuchungen scheint jedoch die Operationalisierung der Konstrukte als schwierig und fragwürdig, insbesondere das Konstrukt Instrumentalität.