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Die sozial-kognitive Theorie

Die sozial-kognitive Lerntheorie von Bandura (1977)

  • Versuch eines einheitlichen theoretischen Bezugsrahmens für menschliches Denken und Verhalten

= eine der einflußreichsten und meist zitierten Theorien

3 Kernannahmen
  • 1. Stellvertretende Prozesse psychologischer Funktionen

Nicht nur unmittelbare Erfahrung sondern auch die Beobachtung anderer kann das Denken, die Affekte und das Verhalten von Menschen entscheidend beeinflussen

--> Sozial vermittelte Erfahrung

  • 2. Symbolische Prozesse psychologischer Funktionen

Die Fähigkeit, Symbole zu verwenden, befähigt den Menschen, sich Ereignisse vorzustellen, zu analysieren, zu planen, schöpferisch tätig zu werden und vorausschauend zu handeln

  • 3. Selbstregulierende Prozesse psychologischer Funktionen

Menschen reagieren nicht einfach auf äußere Einflüsse. Sie wählen Reize aus, die auf sie einwirken, formen sie um. Sie erzeugen die Konsequenzen selbst und können so in gewissem Maße selbst ihr verhalten beeinflussen

Bandura leugnet keineswegs die Wirksamkeit operanter Lernvorgänge. Allerdings betont er, daß Laboruntersuchungen zur Überschätzung der Bedeutung des operanten Lernprinzips und zur Unterschätzung der Effizienz des Beobachtungslernens geführt haben. Die eigenverantwortliche Rolle des Individuums bei der Verhaltensregulation wurde bei Bandura zunehmend in den Vordergrund gerückt.

Die Zweifaktorentheorie des Beobachungslernens
  1. Der Erwerb (acquisition) --> geschieht durch klassische Konditionierung
  2. Die Ausführung (performance) --> geschieht durch (direkte oder stellvertretende) Bekräftigung

 

Später hat Bandura (1971/77) die Zweikomponententheorie ausdifferenziert:

Er nimmt 4 Subprozesse des Beobachtungslernens an:

  1. Aufmerksamkeitsprozesse in der Beobachtungsphase
  2. Behaltensprozesse der Speicherung und Verarbeitung
  3. Motorische Reproduktionsprozesse
  4. Motivationsprozesse zur Verhaltensausführung

Aufmerksamkeitsprozesse

Nachahmung kann nur stattfinden, wenn Vorbildverhalten wahrgenommen wird. Personen nehmen aber nicht alle auf sie einstürmenden Reize wahr. Bereits beim Aufnahmeprozeß findet Selektion statt, die Wahrnehmung ist ein motivierter Vorgang.

Aufmerksamkeitsfördernde Variablen nach Bandura

  1. Merkmale des Verhaltens (Auffälligkeit, Komplexität, Neuheit)
  2. Merkmale des Beobachters (Wahrnehmungskapazität, Persönlichkeitseigenschaften, Motiviertheit)
  3. Merkmale des Vorbilds (Tüchtigkeit, Alter, Geschlecht, Status)
  4. Die Aufmerksamkeit direkt beeinflussende Variablen (begleitende Verbalisierungen des Vorbildverhaltens durch das Vorbild, den Beobachter, Dritte)

Behaltensprozesse

Zwei verschiedene Repräsentationssysteme nach Bandura:

  1. Sprachliche Kodierung
  2. Bildliche Kodierung

Sprachliche Kodierung ist bildlicher überlegen (soll ein beobachter Material in sprachliche Kürzeln verarbeiten, adnn ist seine Nachahmungsleistung auch nach größerer Zeitspanne besser). Offenbar sind kognitive Repräsentationen nicht genaue Abbilder des Beobachteten, sondern vom Beobachter aktiv organisierte Erinnerungshilfen.

Motorische Reproduktionsprozesse

Wie es gelingt, kognitive Repräsentationen des Vorbildverhaltens in eigenes Verhalten umzusetzen, ist der am geringsten ausgearbeitete Punkt der sozial-kognitiven Theorie von Bandura. Er macht lediglich eine knappe Anmerkung, daß Diskrepanzen zwischen dem Abbild und dem eigenen Verhalten in einem Selbstbeobachtungsprozeß registriert werden und zu korrektiven Anpassungsprozessen führen. Hauptunterschied zum lerntheoretischen Konzept ist hierbei, daß die Person ihr eigener Steueragent ist, d.h. die Registrierung von Abweichungen und die informative Rückkopplung übernimmt sie selbst (im behavioristischen Modell durch externe Bekräftigungsagenten)

Motivationsprozesse

Banduras anreiztheoretische Bekräftigungskonzeption

Ausführungsregulierungen sind Motivationsprozesse, die nach Bandura ausschließlich durch Bekräftigungsfolgen angeregt sind. Die kognitive Antizipation künftiger Handlungsfolgen motiviert dazu, bestimmte Handlungen auszuführen und andere zu unterlassen.

Bedeutung von Bekräftigung:

  • A Lenken der Aufmerksamkeit in der Beobachtungsphase
  • B Regulierung der Ausführung des gelernten Verhaltens

Bekräftigungsarten

  1. Direkte Bekräftigung - erfährt der Beobachter für die Nachahmung
  2. Stellvertretende Bekräftigung - der Beobachter erfährt stellvertretend direkte Bekräftigung des Vorbilds
  3. Selbstbekräftigung - verabreicht sich der Beobachter selbst

Vorbildeffekte

Bandura unterscheidet drei Vorbildeffekte:

  • Beobachtungslerneffekt

Neue Verhaltensmuster werden erworben oder aus bekannten Teilreaktionen zusammengesetzt; vorhandene Verhaltensmuster werden unter neue Situationskontrolle gebracht

  • Hemmung oder Enthemmung

Potentiell vorhandene, aber sozial sanktionierte Verhaltensweisen werden unterdrückt (z.B. Unterlassung von Aggression, Widerstand gegen Versuchungen) oder von Hemmungen befreit (z.B. Überwindung von Phobien, aggressives Verhalten)

  • Reaktionserleichterung

Ein Verhalten, das weder neu noch sozial sanktioniert ist, wird durch gleiches Verhalten anderer ausgelöst.

Die Anwendung dieser Dreiteilung auf den konkreten Fall bereitet jedoch Schwierigkeiten, weil eine klare Trennung oft nicht möglich ist. So können z.B. neue Verhaltensweisen, die durch den Beobachtungslerneffekt enstanden sind, durchaus sozial sanktionierten, aggressiven Inhalt haben (Enthemmungseffekt) --> Bsp. Leistungsstreben zu großzügiges Selbstbdienungsverhalten

Diese Systematisierung hat somit kaum praktische Forschungsrelevanz