Kompetenzfaktoren und Möglichkeiten der Nachahmung beobachteten Verhaltens
Basiskompetenzen: Imitationskompetenz und Ausführungskompetenz
Um Nachahmen zu können benötigt man Imitationskompetenz, d.h. man muß:
- a) das Vorbildverhalten wahrnehmen,
- b) ein kognitives Abbild davon erzeugen und speichern,
- c) zu einem späteren Zeitpunkt das eigene Verhalten diesem Abbild angleichen können.
Desweiteren bedarf es einer Ausführungskompetenz, um beobachtetes Verhalten auch nachahmen zu können (3-jähriger kann ein Auto nicht steuern, auch wenn er es schon oft beobachtet hat)
*Koffka - Theoretische Analyse
Frage: Was wird durch Beobachtung tatsächlich gelernt und werden tatsächlich neue Verhaltensweisen auf diesem Wege erworben?
Koffka zeigt mehrere Möglichkeiten auf:
- 1) Der Beobachter hat das Verhalten bereits in seinem Repertoire. Durch die Beobachtung lernt
er, dieses Verhalten auch in anderen Situationen als bisher zu zeigen (z.B. ist es nicht neu mit dem Fuß zu kicken, aber gegenüber einer Plastikpuppe schon)
--> Neu sind nur die spezifischen Situations-Verhaltens-Verbindungen
- 2.) Der Beobachter erwirbt via Beobachtung neue Verhaltensmöglichkeiten, über die er bisher
noch nicht verfügte (z.B. aggressiver Stehschritt mit Wortneuschöpfungen)
Wiss. Kontroverse: Was ist wirklich neu?? Grundlegende Kompetenzen zu solchem Verhalten müssen dennoch schon vorher vorhanden sein. Es ist kaum abzustreiten, daß jedes gelernte Verhaltensmuster Teilkomponenten enthält, die dem Beobachter schon vorher verfügbar waren (im Beispiel ist somit nur die ungewöhnliche Kombination der Vrhaltenselemente neu)
- 3.) Eine Person läßt sich durch eine andere unwillkürlich "anstecken" (z.B. Gähnen einer anderen Person) --> hat wenig mit Imitations- oder beobachtungslernen zu tun, da es weder um neue Reiz-Reaktionsverbindungen noch um den Aufbau neuer Verhaltenssequenzen geht
Performanzfaktoren - Motivation zur Imitation
- *Tolman (1932) - Lernen ist Kompetenzerwerb, zur Handlung bedarf es der Motivation
Motivationsfaktoren regulieren die Ausführung des Verhaltens. D.h. trotz vorhandener Imitations- und Ausführungskompetenz wird nicht alles Beobachtete in Verhalten umgesetzt (siehe Gruppe 2 in Banduras Bsp.)
Was veranlaßt zur Nachahmung?
Zwei Möglichkeiten, die nach den Zielen des Handelns unterscheiden:
- 1.) Handlungsziel ist die Imitation
Das Konzept postuliert eine eigene Motivation zur Imitation, unabhängig von den Inhalten der Imitationshandlung. D.h. Nachahmung an sich wird als befriedigend erlebt.
--> Vertreter: u.a. Instinkttheoretiker, Vertreter der Psychoanalyse (Konzept der Ich-Identifizierung)
- 2.) Handlungsleitend sind die Konsequenzen der Verhaltensausführung.
D.h. die Veranlassung zur Nachahmung ist an den Inhalt der Imitationshandlung gebunden. Nachgeahmt wird, weil weitere positive Handlungsfolgen der Nachahmungshandlung zu erwarten sind.
--> = Grundgedanke von Banduras Konzeption.
Entwicklung der Imitation
Entwicklungspsychologische Betrachtung
Imitation ist ein Entwicklungsmerkmal. Die Basiskompetenzen für Nachahmungshandlungen und die Motivationsprozesse sind entwicklungsabhängige Variablen. Imitationsleistungen sind durch den kognitiven Entwicklungsstand des Kindes begrenzt und ihrerseits ein wesentlicher Motor des Entwicklungsfortschritts.
Lt. Autoren verbessern sich Imitationsleistungen schrittweise. Erst mit 2 Jahren ist das Kind zur Nachahmung auch komplexerer Handlungen und zur aufgeschobenen Nachahmung befähigt, d.h. auch wenn das Verhalten am Vorbild selbt nicht mehr beobachtet werden kann. Erst dann gelingt Vorstellung des Vorbildverhaltens, die von nun an immer der Nachahmungshandlung vorausgeht (=repräsentative Nachahmung, Piaget)
Nach Yando et al. (1978) - erneuter Entwicklungsschub bei Imitationsleistungen ab 5. - 7. Lj.. Kinder sind dann zu symbolisch-sprachlicher Kodierung in der Lage und nicht mehr nur auf bildliche Speicherung des Vorbildverhaltens angewiesen.
Allgemeine Effekte von Vorbildbeobachtung
- 1.) Vorbilder als singuläre Handlungsweisen werden mehr oder weniger vollkommen nachgeahmt
- 2.) Vorbilder haben zudem eine informative Funktion, die weit über den unter 1.) formulierten Effekt hinausgeht (z.B. über Aufgabenschwierigkeiten, Werte, Angemessenheit über Problemlöse-strategien ). Diese Informationen werden von Beobachtern in Schlußfolgerungsprozessen unter dem zusätzlichen Einfluß personenspezifischer Voreingenommenheit zu Urteilen verarbeitet, die das Handeln steuern.
--> Dies hat Auswirkungen auch auf solche Verhaltensweisen, die das Vorbild nicht demonstriert hat, die dem Vorbildverhalten aber äquivalent sind.Aus Banduras Experiment wird z.B. deutlich, daß aggressive Vorbilder auch nichtimitative Aggressionen erhöhen.
- 3.) Vorbilder können auch motivierte Nichtnachahmung bewirken. In Experimenten gibt es Hinweise darauf, daß ersonen bestrebt sind, sich von einem Vorbild abzusetzen, indem sie ein Verhalten zeigen, daß zum Vorbildverhalten konträr ist. Dieses bereits von McDougall (1908) als Kontraimitation bezeichnete Phänomen ist in der Vorbildforschung bisher kaum systematisch untersucht worden.
- 4.) Vorbilder haben auch indirekte Vorbildwirkung, d.h. Einflüsse auf Verhalten, daß dem Vorbildverhalten weder ähnelt noch ihm äquivalent ist. Z.B. zeigen Vpn, die eine andere Person beobachtet hatten, die erfolglos eine schwierige Aufgabe zu lösen versuchte, anschließend mehr Ausdauer bei eigenen Lösungsversuchen als Vpn, die eine erfolgreiche Person beobachtet hatten (Paulus & Seta, 1975).