Beitragsseiten

Taxonomieprobleme der Motivationklassifikation (S. 76-82)

Das Problem der Motivklassifikation ist bisher nicht befriedigend gelöst. Jede Wissenschaft ist bemüht, die von ihr untersuchten Gegebenheiten systematisch zu gliedern. Taxonomie bedeutet ein Klassifizierungssystem das nach konsistenten Prinzipien aufgebaut ist, die die natürlichen Beziehungen zwischen den Gegebenheiten möglichst gut wiedergibt. Inwieweit dies gelungen ist, läßt sich nur anhand der wissenschaftlichen fruchtbarkeit entscheiden, zu der die Prinzipien der Klassifikation führen. Vorab müssen der räumliche(1) als auch zeitliche(2) Beobachterkreis geklärt werden und die zugrundeliegenden Beobachtungseinheiten(3).

  1. Der räumliche Beobachtungskreis wird immer von der Person-Umwelt-Interaktion gebildet.
  2. Da die Interaktionen zeitlich erstreckt sind, gilt es, ihren Fortgang zu verfolgen, bis es zu einem natürlich erscheinenden Abschluß kommt.
  3. Die Beobachtungseinheiten können nicht molokular sein sonder müssen molar sein. Das bedeutet nicht Momentaufnahmen so detailliert und objektiv sie auch sein mögen, sind von Belang, sondern bedeutungshafte Gerichtetheiten im Handlungsablauf wie in den situativen Einwirkungen.

Murray der sich intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat, stellte 1951 folgende Kriterienliste auf (gekürzt).

  • Arten des initiierenden oder reagierenden (inneren) Zustandes. zB. körperliche Empfindungen, gefühlshafte Gestimmtheiten.
  • Art der initiierenden (äußeren) Situation. In der Bedeutung die sie für den Handelnden hat.
  • Art der initiierenden vorgestellten Situation, die als eine zukünftige Möglichkeit herbeigewünscht wird.
  • Gerichtetheit von Teilstücken des Verhaltens (Bewegungen und Worte)
  • Art der Intention (vorgestelltes Ziel, vorgestellte Wirkung)
  • Art der zustandegebrachten Wirkungen. In welcher Weise die Situation verändert worden ist.
  • Art der Aktivität, der Wirkung oder Situation, die mit Befriedigung verknüpft ist.

Diese Kriterien die unter die sieben Klassen fallen, sind sicher nicht erschöpfend, können aber dazu beitragen Zielzustände erkennbar zu machen.

Das Abstraktionsniveau einer Taxonomie darf nicht zu hoch aber auch nicht zu niedig liegen, es muß zudem noch einheitlich sein. Diese Schwierigkeiten hat Maslow (1954) gesehen und als Gründe angeführt, warum man einer Motivklassifikation widerstehen sollte, ohne sich dadurch selbst von einem Taxonomieversuch abhalten zu lassen.

Drei Auswahlgesichtspunkte (S. 78-79)

Um einer zu großen Anzahl von möglichen Unterscheidungen vorzubeugen, hat man verschiedene Auswahlgesichtspunkte aufgestellt.

  • Vorrangig war dabei die phylogenetische Kontinuität von Verhalten. Insbesondere im Hinblick auf die den Menschen nahestehenden Primaten werden angeborene biologische Verankerungen sichtbar.
  • Ein weiterer und ähnlicher Gesichtspunkt sind die physiologischen Grundlagen von Verhaltensformen.

Beschränkt man sich auf diese beiden Gesichtspunkte wird das Taxonomieproblem erheblich vereinfacht. Die Übereinstimmung unter den Autoren ist groß. Wir erreichen unter diesen Gesichtspunkten aber nur eine Taxonomie von primären Motiven.

Weite Verhaltensbereiche denen sekundäre Motive zugrundeliegen bleiben außer Betracht. Der Versuch sekundäre Motive von primären Motiven abzuleiten, ist jedoch fragwürdig geblieben und hat den Blick auf die Mannigfaltigkeit des menschlichen Verhaltens erheblich verengt.

  • Frei von dieser Beschränkung scheint der Auswahlgesichtspunkt der Universalität zu sein. Die Berücksichtigung der Universalität gewährleistet , daß auch Motive nicht übergangen oder vorschnell reduziert werden, die dem Menschen aus dem Stammbaum der Lebewesen hervoheben.

Um auf Universalität zu prüfen, bedarf es kulturvergleichender Erhebungen, die nach gleichen Inhaltsklassen von Person-Umwelt-Bezügen fahnden, die sich trotz verschiedener sozialer, kultureller und technisch-wirtschaftlicher Kontexte zu erkennen geben.

Ausgliedern einer Motivklasse am Beispiel des Leistungshandelns (S. 80-81)

Die Motivationsforschung hat sich von den oben beschrriebenen Schwierigkeiten nicht aufhalten lassen. Sie hat näherliegende Ziele angepeilt, wie z.B. die Beschreibung von einzelnen Motiven. Dabei wird versucht, deren Inhaltsklasse von Person-Umwelt-Bezügen abzugrenzen, individuelle Motivunterschiede meßbar zu machenund an individuellen Handlungsunterschieden in äquivalent erscheinenden Situationen zu validieren.

In dieser Hinsicht ist die Analyse des Leistungshandelns besonders weit fortgeschritten.

Übertägt man Allports (1937) Eigenschaftdimension auf Motive, so wäre Motiv " ... die Fähigkeit ... viele Reize funktionell äquivalent zu machen und konsitente äquivalente Formen von Handlung und Ausdruck einzuleiten und ihren Verlauf zu lenken."

Es gilt also für eine solche Äquivalenzklasse Bestimmungskriterien zu finden und dann auf ihre Universalität zu überprüfen.

Für leistungsthematische Situationen sind aufseiten der Handlung fünf Kriterien aufgestellt worden, die zusammen gegeben sein müssen,damit eine Handlung aus der Sicht des Handelnden oder eines Beobachters als Leistungshandlung erlebt bzw. betrachtet wird. (Heckhausen, 1974a):

Die Handlung muß ...

  • an ihrem Ende ein aufweisbares Ergebnis hinterlassen, das
  • an Maßstäben der Güte oder Menge bewertbar ist, wobwei
  • die Anforderungen an die zu bewertende Handlung weder zu schwer noch zu leicht sein dürfen. Die Handlung muß also prinzipiell gelingen oder mißlingen können.
  • Für die Bewertung des Handlungsergebnisses müssen ein bestimmter Vergleichsmaßstab für maßgebend - und innerhalb des Vergleichsmaßstabes - ein bestimmter Normwert für verbindlich gehalten werden.
  • Die Handlung muß vom Handelnden gewollt und im Ergebnis von ihm selbst erbracht werden.

Leistungshandlungen zielen also kurz gesagt auf das Bewältigen von Aufgaben ab.

Eine Lebenswelt innerhalb der Menschheitsgeschichte ohne Leistungsthematik ist nur schwer oder gar nicht vorstellbar. Autoren die die vorliegenden Kulturvergleichenden Befunde gesichtet haben, nehmen eine Universalität des Leistungsmotivs an. Die kulturhistorische Betrachtung steckt dabei jeweils den zugehörigen Rahmen und damit konkrete Inhalte und Variationsbreite des Leistungsmotivs ab.