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Aktivationspsychologische Linie (S. 47-53)

IWAN P. PAWLOW (1849-1936) gilt als Begründer der Reflexologie , der Lehre von den bedingten (konditionierten ) Refelxen, deren Erzeugung später als klassische Konditionierung bezeichnet wurde.

PAWLOW hat vor allem an Verdauungsreflexen schon um die Jahrhundertwende experimentell nachgewiesen, daß ungelernte reflexauslösende Reize ( unkonditionierte, angeborene Stimuli ) durch erlernte ( konditionierte ) ersetzt werden können. Dazu müssen die zu konditionierenden Reize den unkonditionierten zeitlich kurz vorausgehen. (ca 0,5 sec) Hat eine solche Paarung mehrfach stattgefunden, genügt der neue konditionierte Reiz um die betreffende Reaktion auszulösen.

Als Paradebeispiel ist die Speichelsekretion weit über die Psychologie hinaus bekannt geworden: neutraler Reiz - z.B. Glockenton geht unkonditionierter Reiz - Futteraufnahme mehrmals voraus. Der neutrale Reiz wird zum konditionierten Reiz und löst Reaktion aus- Speichelsekretion

Der von ihm geprägte Begriff Bekräftigung ist analog zu dem, was THORNDIKE zur gleichen Zeit mit Befriedigung bezeichnete um das "Gesetz der Wirkung" beim instrumentellen Konditionieren zu erklären.

PAWLOW konnte weiter zeigen, daß ein konditionierter Reiz seinerseits einen bislang neutralen Reiz konditionieren kann, also zu einem Reaktionsauslöser höherer Ordnung machen kann. PAWLOW vermutet in diesem Umstand die Grundlage aller höheren nervösen Tätigkeit.

Pawlow postulierte eine Wechselwirkung zwischen zwei grundlegenden Prozessen, der Erregung und der Hemmung. Der Erregung wird eine Verhaltensaktivierende Form zugeschrieben. Sie hat also im traditionellen Motivationsverständnis eine energetisierende Funktion, außerdem spielen sogenannte Orientierungsreaktionen, die mit Aktivierungszuständen einhergehen, beim Aufbau bedingter Reflexe eine Rolle. Anfangs hatte man Schwierigkeiten, konditionierte Reflexe mit dem THORNDIKEschen Gesetz der Wirkung, das als Grundprinzip des Lernens betrachtet wurde, in Beziehung zu bringen. Erst BURRUS F. SKINNER (1935) schlug eine generelle Zweiteilung allen Verhaltens vor:

Eine Reaktionssubstitution nach THORNDIKE, die er als Wirkreaktion (operant behavior) bezeichnete. Den Vorgang der Erhöhung einer Auftretenswahrscheinlichkeit durch Bekräftigung, bezeichnete SKINNER als operante Konditionierung.

Eine Reizsubstitution nach PAWLOW. Diese Art des Verhaltens bezeichnete SKINNER als Antwortreaktion (repondent behavior). Eine schon bereitliegende Reaktion wird auf einen Reiz hin hervorgerufen. Das Erlernen neuer auslösender Reize geschieht aufgrund klassischen Konditionierens im Sinne PAWLOWS.

SKINNER lehnte jede Verwendung hypothetischer Konstrukte, jede Theoriekonstruktion, die über faktische wenn-dann-Beziehungen hinausging, ab. Selbst Motivationsbezeichnungen wie Hunger meidet er und spricht statt dessen von Deprivation, die operational an der Dauer des Nahrungsenzuges oder der Gewichtsabnahme bestimmt wird.

Von zwei hirnphysiologischen Entdeckungen wurden die aktivierungspsychologisch orientierten Forscher besonders angeregt.

Die erste Entdeckung betraf das ARAS - aufsteigendes retikuläres Aktivationssystem. Wie Moruzzi und Magoun (1949) gezeigt haben, führt eine elektrische Reizung der Retikularformation im Hirnstamm zu einer Änderung, zu Aktivierungsmustern, im Hirnstrombild (EEG). Mit ihnen ändert sich die Leistungstüchtigkeit des Verhaltens; und zwar in einer umgekehrt U-förmigen Funktion. Mittlere Aktivierungsniveaus sind am förderlichsten. Auch Emotionen und Affekte werden mit verschiedenen Aktivierungsniveaus in Verbindung gebracht.

Zum anderen durch die Entdeckung eines Bekräftigungs- oder Lustzentrum im Gehirn der Ratte. Wird es mit Hilfe eingepflanzter Elektroden gereizt, so lernen Ratten auch ohne vorherige Deprivation oder Triebreduktion solche Reaktionen, die der Reizung direkt nachfolgen.

Zum Abschluß der aktivierungspsychologischen Linie ist noch der englische Psychologe, HANS JÜRGEN EYSENCK zu nennen.

Er ist bisher in der Hauptsache als eigenschaftstheoretisch orientierter Persönlichkeitsforscher hervorgetreten, der hinsichtlich der von ihm verwendeten Methoden (Fragebögen , faktorenanalytische Analyseverfahren) R.B. CATTEL sehr nahe steht. Bekannt geworden sind seine beiden bipolaren personenbeschreibenden Typen: Extraversion vs Introversion und Neurotizismus vs emotionale Stabilität.

Die Dimension Extraversion vs Introversion führt er auf individuelle Unterschiede der Aktivierungsfunktion des ARAS zurück, wobei für Introvertierte ein höheres Aktivierungsniveau als für Extrovertierte postuliert wird. Die letzteren bauen konditionierte Reflexe langsamer auf.

Der anderen Dimension Neurotizismus vs emotionale Stabilität schreibt er den "Charkter des emotionalen Triebes" zu und führt sie auf Zentren des limbischen Systems zurück.
Damit gelingt ihm eine Vereinigung von persönlichkeits- und aktivierungspsychologischer Theoriebildung.

In der lernpsychologischen Linie der Motivationsforschung war und ist Lernen die vorrangige Fragestellung, d.h. die Anpassung des Lebewesens an veränderte Umweltbedingungen.

In der aktivierungspsychologischen Linie ist es die neuro- und psychophysiologische Funktionsanalyse des auf Reizstimulation reagierenden Organismus.

Dagegen beschränkt sich die assoziations-theoretisch orientierte Motivationsforschung auf organismische Bedürfnisse bzw. auf die ihnen entsprechenden Triebe oder primären Motive.