Beobachtungslernen und die Wirkung von Vorbildern

"studentische Zusammenfassung VERWENDUNG auf eigene Gefahr!"

Einleitung

Frage: Können wir lernen, indem wir andere beobachten?

Lerntheoretisch würde diese Frage lauten: Können Lernprozesse stattfinden, ohne daß der Lernende das in Frage stehende verhalten selbst ausführt und die Verhaltenskonsequenzen selbst erfährt?

Nach behavioristischer Vorstellung besteht Lernen in der Bildung neuer Situations-Verhaltens-Verbindungen, wobei der lernende das Verhalten selbst ausführen und die Konsequenzen selbst erfahren muß. Lernen am Vorbild wurde daher lange aus lerntheoretischen Überlegungen ganz ausgeklammert.

Die Effizienz des Beobachtungslernens und sein evolutionärer Vorteil besteht jedoch gerade darin, daß ein Verhalten nicht erst gezeigt werden muß, bevor gelernt werden kann.

  • *Bandura (1962 - 77) - betonte den außerordentlichen Überlebensvorteil des Lernens am Vorbild und beschrieb das Beispiel eines Fahrschülers, der, würde er das Fahren ausschließlich durch operante Konditionierung lernen, wohl sein Leben lang brauchen würde, was zudem aufgrund der dabei unweigerlich auftretenden Unfälle sehr gefährlich wäre.

Linktipp: Gesundheitswesen & Krankenversicherung in der EU

experimentelles Beispiel

(Bandura 1965)

Versuchsanordnung

1.Teil

4 - 5-jährige Kinder beobachten allein einen Fernsehfilm, in dem ein Erwachsener eine lebensgroße Plastikpuppe mit aggressiven Akten malträtiert (Auf den Boden werfen, Nase boxen, Holzhammer auf den Kopf, Kicken mit dem Fuß), welche er mit Verbalaggressionen begleitet, die z.T. Wortneuschöpfungen sind ("Pow", "Sockero",..).

Das Filmende hat drei verschiedene Versionen:

  1. ein darauf erscheinender Erwachsener tadelt den "Aggressor" und schlägt ihm sogar mit einer Zeitung über den Kopf
  2. der zweite Erwachsene lobt den "Aggressor" für sein hervorragendes Verhalten
  3. Kein weiterer Erwachsener erscheint, das aggressive Verhalten bleibt folgenlos

Demnach realisieren die Versionen 1 und 2 Bedingungen der stellvertretenden Belohnung oder Bestrafung, die das beobachtende Kind nur indirekt über die Beobachtung erfährt.

Im Anschluß an die Filmvorführung kommen die Kinder - ebenfalls allein - in ein Spielzimmer.

Verhaltensäußerungen:

Die Kinder zeigen während ihrer Spielaktivitäten auch aggressive Handlungen gegenüber der Puppe. Letzte sind z.T. exakte Abbilder des vorher beobachteten Erwachsenenverhaltens und dessen spezifischen Kombinationen motorischer Akte mit best. Verbaläußerungen (inkl. Wortneuschöpfungen)

Abb. 1 (S.376) - zeigt die durchschnittliche Anzahl der in den drei Versuchsbedingungen nachge-ahmten Aggressionshandlungen. Die Kinder der Gruppe 2 zeigen weniger Nachahmungsaggression als die Kinder der anderen Versuchsgruppen


2. Teil

Hier werden den Kindern für jede zuvor beobachtete Verhaltensweise, die sie erinnern und zeigen können, Belohnungen versprochen --> Direkte Bekräftigung

Verhaltensäußerungen:

Die Unterschiede in der Anzahl der Nachahmungsaggressionen zwischen den Gruppen verschwinden und die Anzahl wird in allen drei Gruppen erhöht.


Interpretation

Demnach haben alle Kinder das Vorbildverhalten in gleicher Weise gelernt, aber in Abhängigkeit von den Konsequenzen für das Vorbild unterschiedlich häufig spontan reproduziert.

  • Man muß also unterscheiden zwischen dem Erwerb (Akquisition) und der Ausführung (Performanz) des beobachteten Verhaltens.

Dieses Experiment von Bandura ist exemplarisch für den Grundansatz, durch den die Prozesse des Vorbildlernens einer experimentellen Analyse zugänglich gemacht werden können. Dieses experimentelle Grundparadigma regte viele weitere Forscher zur Arbeit auf diesem Gebiet an.