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Einführung

Reziproker Determinismus

Aus der Sicht der SKL beruht psychologisches Funktionieren auf ständiger reziproker (wechselseitiger) Interaktion zwischen Determinanten der Person (z.B. Erwartungen), des Verhaltens und der Umwelt.


Interdependenz personaler und umweltabhängiger Einflüsse

Umwelt- und personale Determinanten bestimmen sih gegenseitig. Die Umwelt ist durch das Verhalten ebenso beeinflußbar wie das Verhalten, das durch sie reguliert wird.

Selektive Aktivierung potentieller Einflüsse

Standardexperiment zum Erlernen von Abwehrtverhalten: Jede Minute Verabreichung von Schocks, welche jedoch durch Hebeldruck jeweils für 30 Sekunden verhindert werden können. Die Tiere können durch ihr Verhalten selbst bestimmen, wie bestrafend die Umwelt für sie ist.

 

  • Zwei-Weg-Regulierungssystem

Kontrolliert die Umwelt das Tier, oder das Tier die Umwelt?

  • Der Organismus tritt entweder als Gegenstand oder als Agent der Kontrolle auf, je nachdem, welche Seite des reziproken Prozesses man untersucht.

Das Verhalten kann die Wirkung der Umwelt nicht nur regulieren, sondern auch Umweltbedingungen schaffen. In sozialen Interaktionen z.B. kann das unterschiedliche Verhalten jedes Teilnehmers sowohl sowohl ein positives oder ein negatives soziales Klima bewirken.

Untersuchung der reziproken Beeinflussung

Persönliche und umweltbedingte Einflußquellen fungieren als interdependente und nicht als separate Determinanten. Um den Prozeß reziproker Interaktion zwischen persönlichen und umweltbedingten Einlüssen zu erhellen, muß man untersuchen, inwieweit der eine vom anderen abhängig ist.

  • Studien von Bandura u.a. zeigen, daß das soziale Milieu wechselseitig in einer bestimmten Richtung ausgeformt wird. In dyadischen Beziehungen aktiviert das Verhalten bestimmte Reaktionen des anderen, welche wiederum reziproke Antworthandlungen veranlassen.
  • Raush et al. (1974) konnten zeigen, daß antezendente Handlungen einen starken Einfluß auf die Reaktionen anderer ausüben. So ziehen feindselige Handlungen gewöhnlich aggressive Gegenreaktionen nach sich.
  • Gegenreaktionen auf antezendente Handlungen werden zudem durch die Antizipation auf die späteren Konsequenzen einer bestimmten Reaktionsweise bestimmt. Diese können sich je nach Interaktionssequenz ändern.
Fazit:

Bei der Untersuchung der Auswirkungen des Verhaltens von Personen auf die Gegenreaktion der anderen müssen mehrere Komponenten betrachtet werden: Unmittelbare Auswirkungen, Antizipierte Veränderungen der wechselseitigen Konsequenzen im Laufe der Zeit, prognostische Hinweisreize und Rollenerwartungen.

Bandura weist darauf hin, daß es für ein lückenloses Verständnis erforderlich ist, nicht nur die reziproken sondern auch die ursprünglichen Effekte zu untersuchen, was durch bestimmte experimentelle Verfahren durchaus möglich ist.

Negative Auswirkungen reziproker Systeme

Da Einflüsse durch ihre reziproken Auswirkungen verändert werden können, passen sich die Gegeneinflüsse in fortlaufenden Interaktionsfolgen reziprok an.

  • Kinder können ohne den Willen der Beteiligten ein Verhalten erlernen, durch das sie der Umwelt ihren Willen aufzuzwingen versuchen. Müssen sie ihr Streben um Aufmerksamkeit der Eltern immer mehr intensivieren, um bemerkt zu werden, und reagieren die Eltern (z.B. durch Zeitmangel) erst, wenn dieses Verhalten einen aversiven Charakter annimmt (z.B. durch Gebrüll, um Zustand zu beenden), so wird das Verhalten beider zwar bekräftigt (Ruhe, bzw. erhaltene Aufmerksamkeit), aber es nützt auf Dauer gesehen keinem der beiden Partner.
  • Ungünstige Sozialpraktiken rufen gewaltbestimmte Verhaltensweisen hervor. In betimmten Studien zeigte sich, daß Familienmitglieder durch ineinandergreifende Kontingenzen zu Urhebern und Opfern gewaltbestimmter Beziehungen werden. Dies ist besonders in solchen Familien der Fall, in denen die Mitglieder einander schmerzhafte Kontrolltechniken antrainiert haben. Zudem wird jedes Familienmitglied periodisch für das Ausüben von Zwang bekräftigt, weil es jeweils durch noch schmerzhaftere Gegenmaßnahmen die anderen seinem Willen unterwirft.


Reziproker Einfluß und Selbststeuerung

Bei der Untersuchung der Determiniertheit persönlicher Freiheit muß zwischen metaphysischen und sozialen Aspekten der Freiheit unterschieden werden.

Einschränkungen der persönlichen Freiheit

  • fehlende Fertigkeiten schränken die Chancen ein, eigene Präferenzen oder Ziele zu verwirklichen
  • dysfunktionale Selbstbeschränkungen können die Person an der Ausführung bestimmter Tätigkeiten hindern (unbegründete Ängste, übermäßige Selbstkritik)
  • Die Gesellschaft muß bestimmte Verhaltensbeschränkungen verhängen, um eine größtmögliche Freiheit ihrer Mitglieder zu erreichen. Inwieweit diese jedoch garantiert werden kann, ist unter den Menschen stark umstritten. Gesellschaften unterscheiden sich nach ihrem institutionaliiertn Freiheitsgrad.
  • sozial geduldete Diskriminierung schränkt die Freiheit und Selbstbestimmung bestimmter Menschengruppen ein (Hautfarbe, Geschlecht, ethnische herkunft, Religion)

Freiheit und Determinismus

In sozialen Abhandlungen wird Freiheit negativ definiert, d.h. an dem Mangel an äußeren Einschränkungen. In philosophischen Abhandlungen wird sie positiv definiert, und zwar häufig als Antithese zum Determinismus. Sie läßt sich hierbei durch Wahlmöglichkeiten, Fertigkeiten oder Rechten angeben.

Welches Bild die psychologische Forschung von der Leistungsfähigkeit der Menschen entwirft, hängt davon ab, welcher Aspekt des reziproken Einflußsystems in den jeweiligen Paradigmen zur Untersuchung ausgesucht wird:

Umweltdeterminismus: Forscher untersuchen, wie Umwelteinflüse das Verhalten verändern V=f(U)

  • Behaviorismus

Perönlicher Determinismus: Wie bestimmt das Verhalten die Umwelt U=f(V)

  • Humanisten

Reziproker Determinismus: Untersuchung der reziproken Einflußquellen

  • SKL

Im Gegensatz zur einseitigen Auffassung resultieren menschliche Leistungen aus der reziproken Interaktion äußerer Umstande mit iner Vielzahl persönlicher Determinanten. Reziproker Determinismus bedeutet nicht nur Gegenkontrolle (gegenseitiges Reagieren) in doppelter Richtung, sondern Menschen schaffen ihre Umwelt auch selbst und antworten nicht nur auf diese.

Je nachdem, von welchem Punkt aus der Abfluß einer Interaktion beobachtet wird, können einzelne Handlungen als Stimuli, Reaktionen oder Bekräftiger fungieren (siehe Abb. 8, S.201). Dies geschieht, wenn man sich an einem Ein-Weg-Paradigma orientiert (hier Umweltkontrolle), um einen zweigerichteten Prozeß abzubilden (zusätzliche persönliche Kontrolle).

  • Zum Beispiel ergibt sich jede künstlerische Handlung aus einem Zwei-Weg-Einflußprozeß, der sich weder auf die Künstler, noch auf die Umstände allein zurückführen läßt.


Reziproker Einfluß und die Grenzen sozialer Kontrolle

Die Öffentlichkeit sorgt sich, daß mit wachsender psychologischer Erkenntnis die Gefahr einer kalkulierten Manipulation und Kontrolle der Menschheit zunimmt.

Individuelle Sicherheitsvorkehrungen

Ein guter Schutz gegen derlei Manipulationen wird darin gesehen, die Menschen darüber zu informieren, wie sie beeinflußt werden. Jedoch ist das Bewußtsein und Wissen um die Manipulationsmöglichkeiten allein nur ein schwaches Gegenmittel, was besonders deutlich an den unverkennbaren Werbeeinflüssen zu sehen ist.

Der wirksamste Schutz gegen manipulative Kontrolle erwächst aus den reziproken Konsequenzen menschlicher Interaktion. Menschen wehren sich dagegen, ausgenutzt zu werden, wenn ihnen angepßtes Verhalten nachteilige Konsequenzen einträgt. Da Konsequenzen reziprok sind, ist niemand in der Lage, andere nach Belieben zu manipulieren.

Soziale Sicherheitsvorkehrungen

Menschen schaffen institutionelle Sanktionen, die der Kontrolle menschlichen Verhaltens Grenzen setzen sollen (z.B. Unantastbarkeit der Einzelperson als gesellschaftliche Sicherheitsvorkehrung). Institutionalisierte reziproke Mechanismen (Gesetze, gesellschaftliche Regeln) schützen nicht nur vor willkürlicher, unrechtmäßiger Kontrolle, sondern ermöglichen auch die Änderung von Institutionen oder Lebensbedingungen.

Mehr Wissen über die Beeinflußbarkeit von Verhalten bedeutet nicht unbedingt mehr soziale Kontrolle. Die jüngste Geschichte hat gezeigt, daß sich die Streuung der Macht vergrößerte und daß sich damit die Möglichkeitn zur reziproken Einflußnahme erhöhte. Die Tatsache allein, daß mehr Menschen an der Herrschaft beteiligt werden, garantiert noch keine humane Gesellschaft. In letzter Konsequenz entscheidet immer die Frage, zu welchen Zwecken die Macht dient.

Selbst in offenen Gesellschaften entstehen schädliche Sozialpraktiken, sobald viele Menschen davon profitieren (Ungerechte Behandlung unterpriviligierter Gruppen im Interesse privaten Gewinnstrebens, Umweltverschmutzung,..) und die aversiven Konsequenzen nur langsam zu Tage treten.

Fazit

Die Realität zeigt, daß die individuellen Wahlmöglichkeiten vermehrt dem kollektiven Interesse untergeordnet werden müssen, wobei jedoch denoch ein größtes Maß an individueller Freiheit garantiert bleiben muß. Das kollektive Überleben läßt sich am besten sichern, wenn man die individuellen Wahlmöglichkeiten erweitert, als sie zu beschneiden. Veränderungen lassen sich am besten herbeiführen wenn man einerseits vorteilhafte Alternativen anbietet und andererseits die Kosten derjenigen Praktiken erhöht, die die aversiven, verzögrten Konsequenzen nach sich ziehen (Auto Bahn).